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Masernepidemie in NRW fordert erstes Todesopfer

Ein dreijähriger Junge türkischer Herkunft ist an den Folgen seiner schweren Masernerkrankung verstorben. Der Junge hatte sich im Frühjahr 2006 mit Masern angesteckt und erkrankte in der Folge an einer Masern-Einschluss-Körperchen-Enzephalitis, einer tödlich verlaufenden Erkrankung. Da der Junge an einem angeborenen Immundefekt litt, konnte er nicht gegen Masern geschützt werden...

Der große Masernausbruch in Nordrhein-Westfalen (NRW), bei dem im vergangenen Jahr mehr als 1.700 Menschen erkrankt waren, hat nun zu einem ersten Todesfall geführt. Wie das Katholische Klinikum in Duisburg, Kinder- und Jugendklinik St. Johannes Hospital, mitteilte, verstarb bereits am Samstag, den 13.1.2007, ein dreijähriger Junge türkischer Herkunft an den Folgen seiner schweren Masernerkrankung. Der Junge hatte sich im Frühjahr 2006 in Duisburg mit Masern angesteckt. Aufgrund eines angeborenen Immundefektes, der einen vorbeugenden Schutz gegen Masern unmöglich machte, erkrankte das Kind zunächst an Masern. Dann wurde im Mai - als späte Folge der Maserninfektion - eine so genannte MIBE – eine Masern-Einschluss-Körperchen-Enzephalitis (engl. measles inclusion body encephalitis - MIBE) - diagnostiziert (siehe auch Bericht vom 17.5.2006). „Diese spezielle Form der Gehirnentzündung tritt vor allem bei Kindern mit einem Immundefekt auf. Es ist eine sehr seltene, akute Erkrankung als direkte Folge einer Maserninfektion. Der Krankheitsverlauf ähnelt dem einer chronischen Maserngehirnentzündung – der so genannten SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis). Die Kinder erleiden häufig epileptische Krampfanfälle und verlieren dann das Bewusstsein. So war es auch in diesem Fall. Nach allem, was wir wissen, endet diese Erkrankung leider immer tödlich“, erläutert Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik am Katholischen Klinikum in Duisburg. Die MIBE-Erkrankung verläuft im Gegensatz zu der SSPE – die oft Jahre dauert, bis der Tod eintritt - sehr viel schneller. Eine etablierte Therapie gibt es gegen beide Formen dieser Viruserkrankungen nicht.

Weiterer Verdachtsfall
Bei einem 12 Monate alten Säugling aus Duisburg besteht ebenfalls der Verdacht, an dieser gefährlichen Form der Maserngehirnentzündung erkrankt zu sein. „Auch dieser zweite Fall steht leider in direktem Zusammenhang mit dem Masernausbruch des vergangenen Jahres. Dabei hatte sich die Mutter zwei Monate nach der Geburt des Buben mit Masernviren infiziert und offenbar den Kleinen angesteckt. Die junge Mutter selbst war nicht geimpft – der Säugling wurde in Folge der Masernerkrankung mit schweren Krampfanfällen zu uns gebracht. Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass auch bei diesem Kind eine schwere Maserngehirnentzündung vorliegt – der weitere Verlauf der Erkrankung ist im Moment nicht vorherzusagen. Dem Kind geht es leider sehr schlecht“, beschreibt Dr. Seiffert die Situation des kleinen deutschen Jungen. Insgesamt hatten sich während der Masernepidemie in NRW auch mehr als 100 Babys im ersten Lebensjahr mit Masern angesteckt. „Das Risiko von Maserngehirnentzündungen ist bei Säuglingen besonders hoch. Leider können diese Kinder auch nicht geimpft werden, da die Impfung erst ab dem 11. Lebensmonat empfohlen ist. Schützen können wir diese Kinder nur dann, wenn es uns gelingt, die Masern in Deutschland auszurotten. Wir setzen alles daran, die notwendigen Durchimpfungsraten von über 95% für die zweimalige Masernimpfungen zu erzielen“, erläutert Dr. med. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ). "Deutschland hat öffentliche Impfempfehlungen - aber anders als die meisten anderen Staaten kein Impfprogramm mit den Elementen "Impfziele" - "Impfplan" - "Umsetzung" und "Erfolgskontrolle". Es fehlen vor allem Strukturen, um Impfziele zu verfolgen und den Impferfolg zu messen. Beim Thema Kindesvernachlässigung/-misshandlung wird die Politik nun endlich aktiv. Todesfälle aufgrund vermeidbarer Infektionskrankheiten werden aber offenbar noch akzeptiert. Kein Kind in Deutschland sollte ohne vollständigen Impfschutz eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen dürfen. Institutionen, wie die Ständige Impfkommission (STIKO), müssen mit den notwendigen Kompetenzen und den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, damit auch wir in Deutschland die Impfziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreichen können“, fordert Hartmann. Die WHO hat für das Jahr 2010 vorgegeben, die Masern in Deutschland und Europa auszurotten. Die STIKO am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin empfiehlt zwei Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken (MMR-V) für alle Kinder bis zum zweiten Geburtstag. Diese Impfungen werden für alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre von der Kasse erstattet. Wer sich beim Arzt impfen lässt, muss keine Praxisgebühr zahlen - Impfungen sind Vorsorgeleistungen und daher von dieser Gebühr befreit. Bei Kindern und Jugendlichen fällt grundsätzlich keine Praxisgebühr an.