Kinder- & Jugendärzte im Netz

Ihre Haus- und Fachärzte von der Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

Herausgeber:

Zöliakie

Was ist Zöliakie?

Zöliakie ist eine der häufigsten nichtinfektiösen Darmerkrankungen, die Kinder und Erwachsene betreffen kann. In Deutschland gehen Experten mittlerweile von einer Prävalenz von 0,9% aus, d.h., fast ein Mensch unter hundert kann Zöliakie entwickeln. Allerdings zeigt sich das klassische Vollbild einer Zöliakie nur bei 10 bis 20% der Betroffenen. Untypische Formen treten häufiger auf. Die Erkrankung kann jederzeit im Laufe des Lebens ausbrechen. Am häufigsten erkranken Menschen im Alter zwischen 1 und 8 Jahren bzw. zwischen 20 und 50 Jahren. 

Zöliakie-Patienten leiden unter einer chronischen Erkrankung des Dünndarms mit entzündlich bedingtem Schleimhautschaden. Gluten, das Klebereiweiß aus Getreide, löst diese Entzündungen bei Betroffenen aus. Schon kleinste Mengen an Dinkel, Weizen (auch alte Sorten), Roggen, Hafer oder Gerste in der Nahrung können ausreichen, um bei Zöliakie-Patienten Beschwerden im Magen-Darm-Trakt auszulösen.

Ursachen

Ursachen der Zöliakie sind eine genetische Veranlagung (HLA-DQ2 und/oder HLA-DQ8) sowie die Zufuhr glutenhaltiger Nahrung. 10 bis 15% der Verwandten 1. Grades eines Zöliakie-Patienten sind ebenfalls betroffen. Bei Zöliakie-Patienten löst das in der Nahrung enthaltene Klebereiweiß Gluten eine Entzündung der Dünndarm-Schleimhaut aus.

Der Körper des Zöliakie-Kranken hält Gluten für einen feindlichen Stoff, den es zu bekämpfen gilt. Er bildet Abwehrstoffe dagegen – genauer gesagt gegen den Gluten-Bestandteil Gliadin. Die gebildeten Antikörper greifen die Struktureiweiße des Dünndarms an und führen zu einer Zerstörung der Dünndarmschleimhaut.

Symptome & Krankheitsbild

Die ersten Krankheitszeichen treten häufig 3 bis 6 Monate, nachdem das Kind begonnen hat Vollkornbrei, Brot oder Zwieback zu essen, auf - also etwa Mitte bis Ende des ersten oder Anfang des zweiten Lebensjahres. Sie äußern sich in Durchfall mit übelriechenden, manchmal auch fettglänzenden Stühlen und Erbrechen. Weitere Symptome können blasse Haut, Kurzatmigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Muskelschwäche und ein aufgetriebener Bauch bei dünnen Gliedmaßen sein. Zöliakie = koilia, die dickbauchige Krankheit, nannte Aretaeus von Kappadokien die Erscheinung bereits vor 2000 Jahren.

Betroffene Kinder sind oft schlecht gelaunt, weinerlich und reizbar. Möglicherweise schlafen sie schlecht und sind müde. Die Kinder bleiben in der Entwicklung und im Wachstum zurück.

Heutzutage sind sogenannte untypische Symptome/Befunde häufiger, wie z.B. chronische Bauchschmerzen, Verstopfung, unklarer Eisenmangel, erhöhte Leberwerte, Zahnschmelzdefekte, unklare Hauterscheinungen, Gelenkbeschwerden, Leistungsknick, Kopfschmerzen, Depressionen etc., die sich auch erst im Jugend- oder Erwachsenenalter manifestieren können.

Auswirkungen

Im Dünndarm wird die Nahrung durch Enzyme in ihre Bestandteile zerlegt, damit diese vom Körper aufgenommen werden können. Um für die Resorption von Kohlenhydraten, Eiweißen, Fetten, Vitaminen und Mineralstoffen eine genügend große Oberfläche zu schaffen, verfügt der Darm über Mechanismen für eine Vergrößerung der inneren Oberfläche mit Darmfalten, Schleimhautzotten und Mikrovilli.

Bei einer Zöliakie löst das Klebereiweiß Gluten, das in Getreide wie Dinkel, Weizen, Gerste, Hafer und Roggen enthalten ist, Entzündung aus. Diese Entzündung führt zur Abflachung der Dünndarmschleimhaut und zum Abbau der Zotten. Dadurch nimmt die Oberfläche des Dünndarms auf Dauer so stark ab, so dass nicht mehr genug Nahrungsbestandteile vom Körper aufgenommen werden können und Mangelerscheinungen auftreten.

Unter Umständen können auch nicht mehr genügend Verdauungsenzyme hergestellt werden, so dass auch die Verdauung der Nahrungsmittel gestört ist. Dadurch können weitere Unverträglichkeiten, zum Beispiel gegen Milchzucker (Laktoseintoleranz) oder Fette, auftreten.

Der Körper wird schließlich dauerhaft mit bestimmten Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen unterversorgt. Die Betroffenen leiden deshalb unter Mangelerscheinungen. Die unzureichende Versorgung mit Eisen und Eiweiß führt zu Störungen bei der Bildung roter Blutkörperchen und damit zur Blutarmut (Anämie).

Unbehandelt führt die Mangelernährung zu Kleinwuchs, Rachitis durch Vitamin-D-Mangel, Blutgerinnungsstörungen durch Vitamin-K-Mangel, Knochenschmerzen, Schäden am Zahnschmelz und verspätet einsetzender Pubertät. Frauen mit unerkannter und unbehandelter Zöliakie können u.U. ungewollt kinderlos bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, in höherem Alter an Lymphknotenkrebs zu erkranken, ist erhöht.

Diagnose

Besteht der Verdacht auf Zöliakie, sollte das Kind unbedingt vom Kinder- und Jugendarzt untersucht werden.

Eine Blutuntersuchung (Antikörper-Nachweis) kann den Verdacht erhärten. Es genügt die Bestimmung der IgA-Antikörper gegen Gewebstransgklutaminase im Serum, ein IgA-Mangel muss ausgeschlossen werden. Antikörperbestimmungen im Stuhl sind ungeeignet! Die Bestimmung der genetischen Marker HLA-DQ2 bzw -DQ8 kann hilfreich sein. Zuvor sollten die betroffenen Kinder normale Kost zu sich nehmen, um eindeutige Untersuchungsergebnisse zu erhalten. Da eine versuchsweise glutenfreie Ernährung vor der Blutuntersuchung die Ergebnisse verfälschen kann, sollte hiervon unbedingt abgesehen werden.

Schließlich wird die Diagnose endgültig durch eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm (Dünndarmbiopsie) abgesichert, die unter dem Mikroskop untersucht wird. Differentialdiagnostisch muss eine Weizenallergie ausgeschlossen werden. Neu, aber noch nicht endgültig geklärt und eingeordnet ist die Frage einer sogenannten Nicht-Zoeliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität, die vor allem bei Frauen neuerdings beobachtet wurde.

Da sich bei einer Zöliakie häufig bereits ein Mangel an lebenswichtigen Stoffen entwickelt hat, wird neben dem Blutbild auch der Blutspiegel von Vitamin B12, Folsäure, Speichereisen, Calcium, Leberenzymen, Glucose, Vitamin D, Zink und dem Hormon, das die Schilddrüse stimuliert (TSH), bestimmt.

Wird bei einem Kind eine Zöliakie nachgewiesen, sollte auch eine Untersuchung von Eltern und Geschwistern erwogen werden, da 10 bis 15% der Verwandten 1. Grades ebenfalls von einer Zöliakie betroffen sind.

Therapie

Die einzige Möglichkeit, die Gluten-Unverträglichkeit in den Griff zu bekommen, ist der vollständige und lebenslange Verzicht auf den Genuss glutenhaltiger Lebensmittel.

Auf diese Lebensmittel muss verzichtet werden

Alle Produkte, die in irgendeiner Form Roggen, Hafer, Weizen, Gerste oder verwandte Getreidesorten, wie z.B. Dinkel oder Grünkern, enthalten, müssen gemieden werden – auch Mehl, Grieß, Stärke, Getreideflocken, Müsli, Paniermehl. Mehl wird normalerweise auch bei der Herstellung von Brot, Brötchen, Kuchen, Gebäck, Pizza, Nudeln oder Gnocchi verwendet.
Zudem wird Gluten oft in Stabilisatoren, Emulgatoren, Geschmacksverstärkern, Verdickungsmitteln und anderen Lebensmittelzusatzstoffen eingesetzt. Auch verschiedene Wurstwaren, Fertigsoßen und -suppen, Puddingpulver, Malzgetränke, Malzbonbons, Malzkaffee und Bier müssen vom Speisezettel gestrichen werden. Außerdem kann Gluten in Senf, Ketchup, Sojasoße, Eis, Brotaufstrichen, Gewürzmischungen, Chips und anderen Knabbereien enthalten sein.

Diese Lebensmittel sind erlaubt

Unverarbeitete Lebensmittel wie Milch, Joghurt, Quark, Käse, Butter, Öl, Fleisch, Fisch, Tofu, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Reis, Hirse, Amaranth, Quinoa, Maniok, Soja, Buchweizen, Mais, Eier sowie Kastanienmehl, Johannisbrotmehl oder Nüsse werden problemlos vertragen. Inzwischen sind als glutenfrei gekennzeichnete Haferflocken in Deutschland erhältlich, die von Zöliakie-Patienten in der Regel verzehrt werden können.

Um den bestehenden Mangel auszugleichen, kann es zu Beginn der Diät erforderlich sein, zusätzlich Vitamine und Spurenelemente zu geben. Durch die Diät bessert sich zuerst die Stimmungslage der Kinder, dann nimmt der Appetit wieder zu und nach einiger Zeit hat sich der Darm soweit erholt, dass auch die Durchfälle nachlassen.

Diätfehler führen bei älteren Kindern oder Erwachsenen nicht unbedingt zu Durchfall oder anderen typischen Symptomen. Wenn die Diätregeln jedoch langfristig nicht eingehalten werden, steigt das Risiko von Knochenschwund (Osteoporose) oder Lymphknotenkrebs an. Außerdem steigt dann das Risiko für eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I oder einer Autoimmunthyreoiditis.
Werden die betroffenen Kinder konsequent mit glutenfreien Lebensmitteln ernährt, entwickeln sie sich körperlich und seelisch völlig normal und sind voll leistungsfähig. Obwohl seit 2005 eine Kennzeichnungspflicht für glutenhaltige Zutaten besteht, gibt es viele Ausnahmen. Man sollte sich daher im Zweifelsfall auf Lebensmittel beschränken, auf deren Zutatenliste ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sie "glutenfrei" sind. Naturbelassene Milchprodukte, Marmeladen, reine Fruchtsäfte und Mineralwasser dürfen z.B. laut Lebensmittelgesetz keine Gluten-Zusätze enthalten.

Bei der Verarbeitung von Arzneimitteln werden häufig glutenhaltige Hilfsstoffe verwendet. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker bei jeder Verordnung eines neuen Medikaments daher immer, ob das Produkt glutenfrei ist. Ebenso muss man beim Restaurantbesuch und im Urlaub darauf achten, dass das servierte Essen glutenfrei ist. Viele Restaurants und Hotels haben sich inzwischen auf Gäste mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten eingestellt. Doch man muss damit rechnen, dass dem Personal der Unterschied zwischen dem Geschmacksverstärker "Glutamat" und dem Klebereiweiß "Gluten" nicht unbedingt geläufig ist. Deshalb sollte man sicherheitshalber immer genau nachfragen, bevor man kritische Nahrungsmittel bestellt.

Schließlich müssen glutenfreie Nahrungsmittel immer getrennt von glutenhaltigen Waren aufbewahrt und verarbeitet werden. Dies stellt erhöhte Anforderungen an die Hygiene in einem Haushalt, in dem ein Zöliakie-Patient lebt, wenn nicht die gesamte Familie auf glutenhaltige Nahrung verzichtet. So muss etwa ein Kochlöffel gründlich gereinigt werden, bevor man ihn zum Umrühren glutenfreier Speisen verwendet. Ausführliche Empfehlungen erhalten Betroffene bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft.

Vorsorge

Es gibt bisher noch keine wissenschaftlich bestätigten Empfehlungen, um Zöliakie vorzubeugen.

Auch wenn die Eltern alles dafür tun, ihr betroffenes Kind glutenfrei zu ernähren, können sie nicht immer kontrollieren, was ihr Kind tagsüber zu sich nimmt. Es ist deshalb besonders wichtig, dass alle Kontaktpersonen – Verwandte, Bekannte, Kindergärtnerinnen, Lehrer, Freunde und deren Familien – über die Erkrankung und die notwendige Diät ausführlich informiert werden. Auch das Kind selbst sollte seinem Alter entsprechend über seine Krankheit und die besondere Ernährungsform aufgeklärt sein.

Um eine möglichst guten Diätadhärenz (Diättreue) zu erreichen, empfehlen sich regelmäßige Jahreskontrollen beim Kinder- und Jugendarzt bzw. Kindergastroenterologen.

Adressen & Links

Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V.
Kupferstr. 36  
70565 Stuttgart
Tel.: 0711 /459981-0
Fax: 0711 /459981-50
E-Mail: info@noSpam.dzg-online.de
Internet: www.dzg-online.de

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Godesberger Allee 18
53175 Bonn
Telefon: 0228/3776600
Telefax: 0228 / 3776-800
Internet: www.dge.de

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V.
Olivaer Platz 7
10707 Berlin
Tel: 030 / 31 98 31 5007
Fax: 030 / 31 98 31 5008
E-Mail: infostelle@noSpam.dgem.de
Internet: www.dgem.de

Quellen