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Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD)

Diagnose

Bei Verdacht auf eine Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) überweist der Kinder- und Jugendarzt das betroffene Kind an eine auf deren Diagnose und Therapie spezialisierte Einrichtung. Hier wird das Kind gründlich untersucht. Außerdem werden die Daten aus der Geburtsklinik ausgewertet. Der Verdacht erhärtet sich, bei

  • mindestens einer Wachstumsauffälligkeit.
  • das Gewicht, die Körperlänge und/oder der BMI sind zum Zeitpunkt der Untersuchung bzw. der Geburt niedriger als bei 90% anderer Kinder gleichen Geschlechts, die zu einem vergleichbaren Zeitpunkt zur Welt kamen.
  • auffälligen Gesichtsmerkmalen.
    Hierzu gehören
    o    eine kurze Lidspalte,
    o    eine verstrichene vertikale Rinne zwischen Nase und Oberlippe,
    o    eine schmale Oberlippe.
    Diese Merkmale sind vor allem in der Kindheit gut erkennbar, bei Jugendlichen sind sie weniger stark ausgeprägt. Um die Befunde exakt auszuwerten, werden die Lidspalte und die Oberlippe sowie die Rinne zwischen Nase und Oberlippe vermessen und anschließend mit den Daten von Gleichaltrigen gleichen Geschlechts verglichen.
  • mindestens drei Auffälligkeiten des zentralen Nervensystems
    Mögliche Befunde sind
    o    ein kleines Gehirn.
    Hinweisgebend auf ein kleines Gehirn kann ein sehr kleiner Kopfumfang sein. Bei Verdacht auf eine „Fetale Alkoholspektrumstörung“ kann bei Bedarf eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden, um die exakte Größe des Gehirns zu ermitteln.
    o    Entwicklungsverzögerungen bei Kindern bis zu einem Alter von zwei Jahren.
    Zum Nachweis von Entwicklungsverzögerungen wird der Entwicklungsstand des Kindes mit demjenigen Gleichaltriger durch standardisierte Tests im Rahmen von körperlichen Untersuchungen ermittelt.
    o    Intelligenzminderung.
    Der Nachweis einer Intelligenzminderung erfolgt durch standardisierte Tests.
    o    Störungen beim Sprechen, Rechnen oder Lernen.
    Störungen der Entwicklung dieser Fähigkeiten können mit altersentsprechenden Wortschatz- und Sprachentwicklungstests sowie Rechen-, Lese- und Merkfähigkeitstests festgestellt werden.
    o    Beeinträchtigungen der Feinmotorik.
    Die Feinmotorik kann durch spezielle Testverfahren überprüft werden.
    o    Verhaltens-, Aufmerksamkeits- bzw. Wahrnehmungsstörungen.
    Um das soziale Verhalten des Kindes zu überprüfen, werden bei Bedarf sowohl die Eltern und das Kind als auch weitere Betreuungspersonen befragt. Ebenso können die Aufmerksamkeitsspanne, die Fähigkeit flexibel auf sich ändernde Arbeitsanweisungen oder andere Belastungstests durchgeführt werden.

Bei einer begleitenden Epilepsie wird eine spezifische Diagnostik veranlasst.

Werden in allen drei Bereichen auffällige Befunde erhoben und keine anderen Ursachen dafür gefunden, kann die Diagnose „Fetales Alkoholsyndrom (FAS)“ lauten, wenn von einem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft auszugehen ist. Das bedeutet, dass neben Wachstumsauffälligkeiten und den typischen Gesichtsmerkmalen auch Befunde des zentralen Nervensystems im Zusammenhang mit Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft gefunden werden müssen. Dabei ist es unerheblich, ob die Mutter den Alkoholkonsum bestätigt oder nicht, da Frauen häufig aus Angst vor den Folgen oder Scham diesbezüglich falsche Angaben machen.

Von einem „partiellen Fetalen Alkoholsyndrom (pFAS)“ spricht man, wenn Auffälligkeiten des zentralen Nervensystems zusammen mit den typischen Merkmalen im Gesicht in Verbindung mit einem bestätigten oder wahrscheinlichen Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft festgestellt werden. Werden vor dem Hintergrund eines bestätigten Alkoholkonsums der Mutter während der Schwangerschaft ausschließlich Befunde im Bereich des zentralen Nervensystems erhoben, spricht man dagegen von einer "alkoholbedingten entwicklungsneurologischen Störung (ARND)". Psychologische Tests können die Diagnose absichern.

Schätzungen zufolge erhalten 90 bis 95% der erkrankten Kinder bisher keine oder eine falsche Diagnose, meist ADHS. Das liegt auch daran, dass die meisten Mütter ihren Alkoholkonsum während der Schwangerschaft nicht angeben oder gar nicht danach gefragt werden. Fachleute wollten dies ändern, damit die Betroffenen Zugang zu gezielten Fördermaßnahmen erhalten.