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Masern-Epidemie in Coburg weitet sich aus

Der Masern-Ausbruch in Coburg hat noch kein Ende. Kinderärzte-im-Netz-Redaktion interviewte die Landesverbandsvorsitzende Bayern des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Dr. med Waltraud Knipping zu den Fällen in Coburg.

Der Masern-Ausbruch in Coburg betrifft inzwischen mehr als 700 Patienten. Laut Dr. med Helmut Weiß vom Gesundheitsamt Coburg wurden bis Dienstag, den 05.03.02, 735 Erkrankungen gemeldet. Die Landesverbands-vorsitzende Bayern des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Dr. med Waltraud Knipping nimmt im Interview mit der Kinderärzte-im-Netz-Redaktion Stellung zu den Fällen in Coburg.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Wie konnte es in Coburg zu einer Epidemie kommen?
Der Hintergrund für die Epidemie in Coburg ist , dass über einen längeren Zeitraum (und zwar Jahre) nicht ausreichend gegen Masern geimpft wurde. Da normalerweise eine Kombinationsimpfung gegen Masern-Mumps-Röteln verabreicht wird, liegt leider die Vermutung nahe, dass auch gegen Mumps und Röteln nicht geimpft wurde. Eine nächste Epidemie ist demnach lediglich eine Frage der Zeit.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Wer trägt für die Epidemie die Verantwortung?
Zur Rechtslage: Es besteht für Deutschland keine Impfpflicht. Niedergelassene Ärzte sind von der ständigen Impfkommission (STIKO) angehalten, Eltern über die Notwendigkeit von Impfungen aufzuklären und Impfberatungen durchzuführen. Offensichtlich gibt es in Coburg aber niedergelassene Ärzte, die keine Impfaufklärung im Sinne der STIKO durchführen.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen?
Eltern können sich rechtzeitig (d.h. wenn ihre Kinder im Säuglingsalter sind) über die in Deutschland empfohlenen Impfungen aufklären. Die notwendigen Informationen erhalten sie beim Kinder- und Jugendarzt oder unter www.kinderaerzte-im-netz.de.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Warum sind 2 Impfungen gegen Masern notwendig?
Zwei Impfungen mit einem Abstand von mindestens 4 Wochen werden durchgeführt, um Impfversager zu erwischen, denn 3-4% der Geimpften sprechen auf Impfungen nicht an. Die 2. Dosis dient dazu, die Impfversager zu immunisieren sowie den Impfschutz zu erhöhen.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Was sollen Eltern tun, wenn von einer Impfung abgeraten wird?
Jedes Kind hat das Recht, geimpft zu werden. Verantwortungsvolle Eltern sollen sich so aufklären lassen, wie es dem derzeitigen Wissenstand entspricht. Dazu müssen sie unter Umständen auch in Kauf nehmen, dass sie den Kinder- und Jugendarzt einmal wechseln.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Immer wieder kommen Behauptungen von Impfgegnern, dass Impfungen Schäden verursachen können. Können Sie bitte Stellung nehmen zu folgenden Argumenten von Impfgegnern:
- Impfungen verursachen Allergien

Noch nie ist nachgewiesen worden, dass Impfungen Allergien verursachen. Es gibt keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen Allergien und Impfungen. Im Gegenteil: In der ehemaligen DDR gab es eine Impfpflicht – die Durchimpfungsraten lagen bei weit über 90%. Die Zahl der Allergien war viel geringer, als im Westen. Nach der Wende sank die Durchimpfungsrate – die Allergien nahmen aber drastisch zu. Auch dies ist ein klares Indiz dafür, dass es keinerlei Zusammenhang gibt zwischen Impfungen und Allergien.

- Masern Impfung und Autismus
Diese Behauptung wurde in Veröffentlichungen (West J Med 2001; 174:387-390) in England widerlegt. Demnach gibt es keinen Zusammenhang zwischen Masern und Autismus. Man geht heute davon aus, dass der Autismus unter anderem genetisch bedingt sein kann.

- Mumps Impfung und Diabetes
Es gibt einige wissenschaftliche Daten und Studien über den Zusammenhang von Impfungen und der Entwicklung eines Diabetes mellitus vom Typ 1. Keine der in den Studien veröffentlichten Daten zeigen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen im Kindesalter – auch nicht der Mumps-Impfung – und der Entstehung eines Diabetes.

Kinderärzte-im-Netz-Redaktion: Können Krankenkassen die Erstattung der Behandlungskosten unterlassen, wenn die präventive Impfung nicht durchgeführt wurde?
Nein, das passiert nicht. Die Krankenkassen machen sich aber in den letzten Monaten sehr konkrete Gedanken darüber, wie viel Kosten Patienten verursachen, die an einer vermeidbaren Infektionskrankheit und deren Komplikationen erkranken, da sie nicht geimpft wurden.