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Kinderlähmung (Poliomyelitis)

Symptome & Krankheitsbild

Etwa 95% der Infektionen verlaufen ohne Symptome, allerdings werden so genannte neutralisierende Polio-Antikörper gebildet. Die übrigen Patienten zeigen unterschiedliche Krankheitsverläufe:

  • Abortive Poliomyelitis: Ungefähr 4 bis 8% der Betroffenen klagen 6 bis 9 Tage nach der Ansteckung für 1 bis 3 Tage über Beschwerden, zu denen Fieber, Übelkeit, Durchfall, Magen-, Muskel-, Kopf- und Halsschmerzen gehören. Die Symptome erinnern eher an eine Grippe. Zellen des Zentralen Nervensystems (ZNS) sind nicht angegriffen.
  • Nichtparalytische Poliomyelitis oder aseptische Meningitis: Bei 1 bis 2% der Patienten kommt es nach 3 bis 7 Tagen zu hohem Fieber, Rückenschmerzen, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Nackensteifigkeit und Muskelkrämpfen. Die Symptome ähneln einer Hirnhautentzündung (Meningitis). Vermehrt sind weiße Blutkörperchen und manchmal ein erhöhter Proteinspiegel im Hirnwasser (Liquor) nachweisbar. Das ZNS ist infiziert. Die Prognose ist gut.
  • Paralytische Poliomyelitis: 0,1 bis 1% der Betroffenen mit nichtparalytischer Poliomyelitis bekommen zusätzlich schnelle oder schrittweise eintretende schlaffe Lähmungen (Paralyse), d.h., die Muskelspannung wird sehr gering. Meist bessern sich zunächst die Beschwerden der nichtparalytischen Poliomyelitis. Nach zwei bis drei Tagen steigt das Fieber und die Lähmungen treten auf. Da ausschließlich die motorischen Nerven betroffen sind kommt es zu asymmetrischen schlaffen Lähmungen der von ihnen innervierten Muskelgruppen. Traumata können die Paralysen provozieren, z.B. körperliche Anstrengungen, medizinische Maßnahmen, wie z.B. Injektionen, und sind daher zu vermeiden. Die Lähmungserscheinungen sind in der Regel asymmetrisch und betreffen Bein, Arm, Bauch, Brustkorb oder die Augenmuskeln. In seltenen Fällen kommt es zu Sprach-, Kau-, oder Schluckstörungen mit einer Schädigung von Hirnnervenzellen und zentraler Atemlähmung. Außerdem ist eine Herzmuskelentzündung mit späterer Herzschwäche möglich. Die Ateminsuffizienz war die Ursache der Letalität und führte dazu, dass die Patienten mit der „eisernen Lunge“ beatmet wurden.

Spätfolgen und Prognose

Bis zu zwei Jahre nach einer Infektion kann es zu einer spontanen Rückbildung der Lähmungen kommen, was allerdings eine intensive Physiotherapie voraussetzt. Bei Beteiligung der Hirnnerven sind die Heilungschancen jedoch gering. Die Todesrate liegt bei 2 bis 20%.

25% der Patienten mit paralytischer Poliomyelitis behalten leichte Schädigungen, weitere 25% schwere Schäden. Neben bleibenden Lähmungen sind Gelenkfehlstellungen, Bein- und Armlängendifferenzen, Wirbelsäulenverschiebungen sowie Osteoporose (Knochenschwund) bekannt.

Eine Sonderform der Spätfolgen ist das Postpolio-Syndrom: viele Jahre bzw. Jahrzehnte (durchschnittlich 35 Jahre, vorwiegend im 5. Lebensjahrzehnt) nach dem Auftreten einer paralytischen Poliomyelitis können die Lähmungen zunehmen und ein chronischer Muskelschwund auftreten. Die Beschwerden sind meist mit Schmerzen und völligen Erschöpfungszuständen verbunden. Es können sowohl ehemals befallene als auch neue Muskelgruppen betroffen sein.