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Keine Entwarnung bei Masern in Nordrhein-Westfalen – zweites Kind verstorben

In Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der Masernerkrankungen weiter erhöht. Seit Jahresbeginn haben sich fast 80 Menschen angesteckt, die nicht geimpft waren - überwiegend Kinder und Jugendliche. Mittlerweile ist ein zweites Kind an den Folgen einer schweren Maserngehirnentzündung verstorben - einer Folgeerkrankung von Masern...

Noch immer werden in Nordrhein-Westfalen neue Masernerkrankungen gemeldet. Wie das Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (lögd) in Münster mitteilte, hat sich die Zahl der Erkrankungen weiter erhöht. Neuerkrankungen gab es in Düsseldorf und im Kreis Mettmann. „Insgesamt haben sich seit Jahresbeginn fast 80 ungeimpfte Personen (davon über 60 Kinder und Jugendliche) mit Masern angesteckt. Leider gab es auch über die Osterferien 32 neue Erkrankungsfälle – und es sind auch nach Schulbeginn neue Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen registriert worden. Aufgrund der so genannten Inkubationszeit – also dem Zeitraum zwischen Ansteckung und Auftreten der ersten Krankheitssymptome -, die bei Masern etwa 9-12 Tage dauert, können wir noch nicht absehen, wie viele andere Kontaktpersonen sich infiziert haben. Masern sind hoch ansteckend und leider nicht selten mit schweren Komplikationen verbunden“, warnt Dr. Ulrich van Treeck vom lögd in Münster. Indessen wurde bekannt, dass ein zweites Kind Opfer der Masernepidemie des vergangenen Jahres geworden ist. Wie das Katholische Klinikum in Duisburg auf Anfrage mitteilte, verstarb der 13 Monate alte Junge in der Woche nach Ostern an den Folgen seiner schweren Maserngehirnentzündung. Er hatte sich als Säugling bei seiner jungen Mutter angesteckt. Vor dem Hintergrund dieser tragischen Fälle mahnen Experten zur strikten Anwendung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Nach dem IfSG müssen erkrankte Personen unbedingt von betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen ferngehalten werden. Der Impfstatus der Kontaktpersonen sollte schnell erhoben werden, um gegebenenfalls noch versäumte Impfungen nachzuholen. „Man kann auch noch bis zu 3 Tage nach einer möglichen Ansteckung gegen Masern geimpft werden, um einen Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Die Wirkung der Impfung ist schneller als die Ausbreitung der Krankheit im Körper – deshalb raten wir allen Kontaktpersonen in den betroffenen Schulen, ihren Impfschutz zu überprüfen und eventuell vorhandene Impflücken zu schließen“, so van Treeck weiter. Um einen vollständigen Schutz gegen Masern zu haben, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) zwei Impfungen gegen Masern, die bereits im zweiten Lebensjahr im Abstand von 4 Wochen erfolgen sollten. Fehlende Impfungen bei ungeschützten Personen können aber in jedem Lebensalter nachgeholt werden.

Neuer SSPE-Fall im Raum Bielefeld aufgetreten
Ein weiteres Kind ist in der Nähe von Bielefeld an einer chronischen Maserngehirnentzündung erkrankt. Diese so genannte Subakute Sklerosierende Panenzephalitis – kurz SSPE - tritt als Spätfolge einer Masernerkrankung auf. Besonders häufig sind Kinder betroffen, die im ersten Lebensjahr eine Masernerkrankung durchmachen. „Dieser neue Fall ist besonders tragisch, da sich das Mädchen im Säuglingsalter offenbar in unserer Praxis angesteckt hat. Zu dieser Zeit war auch ein älterer Junge mit unspezifischen Beschwerden in der Praxis, bei dem erst am folgenden Tag die Masern diagnostiziert werden konnten. Dieser Junge hat insgesamt 9 Kinder in unserer Praxis angesteckt. Bei zwei von diesen Kindern ist jetzt diese fürchterliche Erkrankung ausgebrochen. Der erste Fall des kleinen Micha G. ist vor zwei Jahren bekannt geworden. Angeblich ist diese Erkrankung doch so selten – nach meiner Meinung werden die Masernkomplikationen völlig unterschätzt“, erläutert Dr. Christoph Holzhausen, Kinder- und Jugendarzt aus Bad Salzuflen. Die Angaben über das Auftreten der SSPE sind unterschiedlich. Das Robert Koch-Institut geht von einer Erkrankung pro 10.000 Masernfällen aus. Nach den Daten einer aktuellen deutschen Untersuchung liegt das Risiko, an einer SSPE zu erkranken, bei über 1:2000, wenn die Kinder im Säuglingsalter die Masern durchmachen. „Es ist nicht bekannt, was der Auslöser für diese Spätfolge der Masern ist. Wir wissen nicht, warum sie bei einigen Kindern ausbricht und bei anderen nicht. Da diese Fälle bisher auch nur selten bekannt geworden sind, fehlen uns auch die notwendigen Daten. Bisher gibt es keine Therapie gegen diese fortschreitende Erkrankung – sie verläuft leider immer tödlich“, so Prof. Dr. Heinz-J. Schmitt, SSPE-Experte von der Universität Mainz und Vorsitzender der STIKO. „Da Säuglinge noch nicht gegen Masern geimpft werden können, müssen Ansteckungen unbedingt verhindert werden. Das ist im Einzelfall sehr schwierig, denn man kann sich ja mit Säuglingen nicht nur zu Hause aufhalten. Insbesondere in Kinderkrippen und Kindertagesstätten muss daher von Seiten des Staates darauf geachtet werden, dass die älteren Kinder den notwendigen Impfschutz haben. Es ist unverantwortlich, dass kleine Kinder, die eine staatlich unterstützte Gemeinschaftseinrichtung besuchen, einem solchen Risiko ausgesetzt werden. Wie viele tote Kinder, die durch eine Impfung gerettet werden können, sind in unserem Land eigentlich akzeptabel?“, fragt Schmitt kritisch und unterstützt die Forderung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), wonach kein Kind in Deutschland eine Gemeinschaftseinrichtung (Kinderkrippe, Kindergarten oder Schule) besuchen sollte, ohne einen vollständigen Impfschutz nachzuweisen. Während der Masernepidemie in NRW 2006 waren fast 120 Säuglinge an Masern erkrankt – unter den 80 Masernfällen des Jahres 2007 befinden sich auch 9 Kinder im ersten Lebensjahr.

Infektionsgefahr auch im Urlaub
Und auch in vielen beliebten Reiseländern besteht ein hohes Ansteckungsrisiko. In der Schweiz gab es seit Beginn des Jahres bereits weit über 100 Masernerkrankungen. Und auch in Italien, Spanien, Österreich und vor allem der Türkei kommt es immer wieder zu großen Epidemien mit Tausenden von Erkrankungen. Laut Angaben des türkischen Gesundheitsministeriums wurden von 1995-2005 insgesamt 1.131 SSPE-Erkrankungen registriert. „Wer Urlaubsreisen in diese Länder plant, der sollte unbedingt gegen Masern geimpft sein. Das gilt nicht nur für Kinder. Auch ungeschützte Erwachsene sollten vor Reisebeginn ihren Impfschutz überprüfen und versäumte Impfungen sofort nachholen. Mit zunehmendem Erkrankungsalter steigt das Risiko von schweren Verläufen“, warnt Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des BVKJ. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin empfiehlt zwei Masernimpfungen ab dem 11. Lebensmonat im Abstand von 4 Wochen - in Kombination mit der Mumps-, Röteln- und Windpockenimpfung. Alle von der STIKO empfohlenen Impfungen werden von den Krankenkassen erstattet. Wer sich als Erwachsener beim Arzt impfen lässt, muss keine Praxisgebühr bezahlen – Impfungen sind als Vorsorgeleistung von der Praxisgebühr befreit.