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Einnässen (Enuresis), Inkontinenz

Therapie

Bettnässen (Enuresis)

Um die Erfolgsquote zu erhöhen, wird das Einnässen am Tag vor dem Bettnässen behandelt. Sind organische Ursachen ausgeschlossen, versucht der Kinder- und Jugendarzt die Eltern erst einmal zu beruhigen. Vor dem 5. Geburtstag wird das Einnässen normalerweise nicht behandelt. Auch bei älteren Kindern kann man mit einer Behandlung noch abwarten, sofern organische Ursachen ausgeschlossen werden konnten. 15% der Kinder werden pro Jahr auch ohne gezielte Maßnahmen trocken. Schließlich wird der Kinder- und Jugendarzt einerseits versuchen das Kind zu entlasten, andererseits wird er es aber auch motivieren, nicht aufzugeben.

Wenn Kinder nachts einnässen, sollten Eltern sicherstellen, dass ihr Kind am Abend nicht den Flüssigkeitsbedarf für den gesamten Tag deckt. Deshalb sollten sie das Kind tagsüber anhalten, regelmäßig zu trinken und zur Toilette zu gehen. Am Abend sollten sie jedoch darauf achten, dass es keine größeren Mengen mehr trink. Allerdings sollten sie das Trinken am Abend nicht komplett unterbinden. Die Matratze kann durch eine Kunststoffauflage geschützt werden.

In einem Kalender können die trockenen Nächte und das Einnässen  erfasst werden. Der Kalender sollte so gestaltet sein, dass er die trockenen Nächte hervorhebt (z.B. durch einen besonders schönen Sticker, den sich das Kind aussuchen darf), die „feuchten“ Nächte aber nicht negativ herausstellt, sondern einfach unbeschrieben lässt. Etwa ein Fünftel der betroffenen Kinder wird dadurch bereits innerhalb von vier Wochen trocken.

Erst wenn diese Maßnahmen nicht helfen, kommen die nächtlichen Weckapparate, meist in Form einer„klingelnden Hose“ oder „Klingelmatten“. Bei diesen Geräten wird über einen Feuchtigkeitsfühler ein Stromkreis geschlossen, wenn das Gerät nass wird: es klingelt. Der Fühler moderner Hosen mit Klingelgeräusch wird in der Nähe der Genitalien an der Hose befestigt, während die Klingel in der Nähe der Ohren an einer Stofffalte des Schlafanzugs angebracht wird. Bei Klingelmatten liegt der Feuchtigkeitsfühler im Bett. Die Klingel steht in diesem Fall neben dem Bett.

Die Erfolgsraten der Geräte sind vergleichbar. Ein nächtlicher Weckapparat kann mit einer Windel kombiniert werden, welche die Kinder über einer Unterhose tragen, an die der Feuchtigkeitsfühler angeschlossen wird. Klingelmatten haben eine lautere Klingel. Das kann ein Vorteil sein, wenn das Kind nachts einnässt, weil es sehr tief schläft und nicht aufwacht. Die Geräte sind auf Rezept in Apotheken und Sanitätshäusern erhältlich.

Kinder sollten bei der Anwendung eines Klingelgeräts mindestens fünf Jahre alt, besser sogar noch etwas älter sein und bereit sein, trocken zu werden. Ist es dem Kind gleich, ob es einnässt oder nicht, ist die Erfolgsrate erfahrungsgemäß gering. In diesem Fall empfiehlt es sich abzuwarten, bis das Kind eine eigene Motivation entwickelt hat.

Vor Behandlungsbeginn wird den Kindern erklärt, warum das Klingelgerät zum Einsatz kommen soll. Dabei werden sie ermuntert, ihre Ängste im Zusammenhang mit der Behandlung auszudrücken. Schließlich wird ihnen die Funktionsweise beider Geräte erklärt, damit sie selbst entscheiden können, welches sie bevorzugen. Sie sollten das Gerät wirklich jede Nacht benutzen, vor dem Schlafen immer zur Toilette gehen und die Behandlung nicht zu früh abbrechen.

Wird der Feuchtigkeitsfühler während der Nacht nass, sollte der Klingelton das Kind wecken. Für einen Therapierfolg reicht es aber aus, wenn das Kind von den Eltern geweckt wird. Es sollte dann zur Toilette gehen, die Blase vollständig entleeren und eine frische Unterhose anziehen. Außerdem muss der Feuchtigkeitsfühler getrocknet werden, damit er wieder an der Hose befestigt und eingeschaltet werden kann. Das Hirn muss „erkennen“, dass mit dem Klingeln eine nicht ganz so angenehme Aktion verbunden ist.

Im Gegensatz zu den Eltern schlafen die behandelten Kinder schnell wieder ein, wenn die Klingel sie geweckt hat. Damit die nächtlichen Unterbrechungen des Schlafs die Eltern nicht zu sehr belasten, sollte die Behandlung deshalb in einer Lebensphase durchgeführt werden, in der sie das Schlafdefizit gut verkraften können. Wenn nachts bereits ein Säuglings oder Kleinkind zu versorgen ist, ist es beispielsweise nicht notwendig, dass das Klingelgerät die Eltern zusätzlich aufweckt.

Zeitgleich wird ein Kalender geführt, in dem eingetragen wird, wie oft das Kind nachts einnässt, wann es trocken geblieben ist oder mit voller Blase eigenständig aufgewacht und zur Toilette gegangen ist. Zusätzlich sollte erfasst werden, wie groß die Urinmenge beim Einnässen und beim anschließenden Toilettenbesuch ist. So können erste Fortschritte erkannt werden, wenn etwa die Urinmenge, die auf der Toilette ausgeschieden wird, langsam zunimmt.

War das Kind 2 Wochen ununterbrochen trocken, kann das Klingelgerät weggeräumt werden. Ist das Kind allerdings auch nach 16 Wochen noch nicht trocken, sollte die Familie einen neuen Versuch starten, wenn das Kind älter geworden ist. Rückfälle mit gelegentlichem Einnässen in bis zu zwei Nächten pro Woche können vorkommen. Nässt das Kind aber regelmäßig zweimal pro Woche ein, sollte das Klingelgerät erneut eingesetzt werden. Dies ist bei 15-20% der Kinder notwendig. Klingelgeräte tragen dazu bei, dass 60-70% der Kinder bis zum Therapieende komplett trocken werden, 50% bleiben langfristig trocken. Durch belastende familiäre Umstände, Ärger, Verhaltensprobleme des Kindes, vorangegangene schlechte Erfahrungen mit nächtlichen Weckapparaten oder ein negatives Selbstwertgefühl des Kindes kann der Behandlungserfolg eingeschränkt werden.

Führen Klingelgeräte nicht zum erwünschten Erfolg, kann das Medikament Desmopressin verordnet werden. Desmopressin ist ein Wirkstoff, der die Urinmenge reduziert. Dadurch werden ca. 70% der Kinder trocken, viele nässen nach dem Absetzen des Medikaments allerdings wieder ein. Der Arzneistoff ist gut verträglich, ernste Nebenwirkungen treten sehr selten auf.

Schließlich wurden für Kinder und Jugendliche, die mit den üblichen Maßnahmen (d.h. Klingelgerät und Desmopressin) nicht trocken werden, Schulungsprogramme entwickelt. In Einzelschulungen oder Kleingruppen tauschen sie sich mit anderen Betroffenen aus. Dies trägt dazu bei, das eigene Selbstvertrauen zu stärken. Außerdem erhalten sie ausführliche Informationen über ihren Körper, über Nahrung und Getränke, Entspannung und das Einnässen. Hausaufgaben runden diese Schulungsprogramme ab. Viele Kinder werden durch diese Programme schnell trocken.

Sind körperliche Ursachen für das Einnässen ausgeschlossen und besteht der Verdacht, dass seelische Ursachen vorliegen, überweist der Kinder- und Jugendarzt die Eltern mit dem Kind eventuell zu einem Kinder- und Jugendpsychiater. Dort ist auch die Mitarbeit der Eltern gefragt. Sie können Auskunft geben zur bisherigen Entwicklung, möglicherweise belastenden Vorfällen und den bisherigen Versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen. Wenn das Kind in den Ferien trocken bleibt, während der Kindergarten- oder Schulzeit aber einnässt, dann geht es darum zu verstehen, was die Ursache ist.

Leidet ein Kind unter einer Dranginkontinenz und nässt auch nachts ein, können andere Medikamente hilfreich sein. Oxybutinin senkt die Harnmenge und damit den Harndrang, entspannt aber auch die Blase. Auch Propiverin mindert die Muskelspannungen in der Blase und reduziert auf diese Weise den Harndrang. Diese Medikamente sollten nicht ohne Absprache mit einem Kinder- und Jugendarzt angewendet werden. Hat er einen solchen Arzneistoff verordnet, sollte die empfohlene Dosierung eingehalten werden. Bleibt die erwünschte Wirkung aus, muss eine Anpassung der Dosis immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Einnässen tags (Harninkontinenz)

Kinder mit Dranginkontinenz, die plötzlich und dann sehr dringend zur Toilette müssen, müssen zuerst lernen auf die von ihnen entwickelten Haltemanöver zu verzichten. Sie können z.B. im Rahmen einer Verhaltenstherapie lernen, die Drangsymptome wahrzunehmen und daraufhin umgehend die Toilette aufzusuchen, ohne den Beckenboden anzuspannen. In einem Kalender wird eingetragen, wann sie es ohne Einnässen bis zur Toilette geschafft haben (z.B. mit Fähnchen) und wann nicht (beispielsweise mit Wolken). In dieser Zeit muss das Kind immer und überall sofort auf Toilette gehen können. Erzieher(innen) und Lehrer(innen) müssen daher über das Training informiert und um wohlwollende Unterstützung gebeten werden. Bleibt die Hose immer häufiger trocken, ist dies ein Zeichen für erste Behandlungsfortschritte. Schließlich werden dann auch die Zeitintervalle zwischen den Toilettenbesuchen länger. Bei einem Drittel der Kinder reichen diese einfachen Maßnahmen aus. Bei den anderen ist eine Behandlung mit Oxybutinin, Propiverin oder anderen Medikamenten notwendig, die die Blase ruhig stellen. Parallel dazu sollten die beschriebenen Pläne weiter befolgt werden.

Kindern, die den Toilettengang aufschieben, sollte man erst einmal erklären, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einhalten des Urins und dem Einnässen besteht. In der Folgezeit werden sie dann zu festen Zeiten zur Toilette geschickt. Ein Wecker kann sie beispielsweise alle zwei bis drei Stunden erinnern, zur Toilette zu gehen. Insgesamt sollte das Kind etwa sieben Mal am Tag zur Toilette gehen. Für ihre Mitarbeit können die Kinder für jeden Toilettenbesuch belohnt werden (z.B. mit kleinen Stickern). Belohnt werden sie ausschließlich für ihre Kooperation nicht dafür, dass sie trocken bleiben. Nässen sie gelegentlich ein, werden Belohnungen deshalb auch nicht entzogen.

Kinder, die unter einer Blasenentleerungsstörung leiden, müssen mitunter stark pressen, bevor der Harn fließt. Meist ist der kontinuierliche Harnfluss bei ihnen unterbrochen. Diesen Kindern kann ein Bio-Feedback-Training helfen. Auf einer speziellen Toilette können die Kinder über einen Monitor sowohl den Harnfluss als auch das meist unbewusste Anspannen des Beckenbodens beobachten. So lernen sie den Beckenboden und damit den Schließmuskel gezielt entspannen. Für dieses Training erfordert die Unterstützung durch Experten.

Kinder mit Stressinkontinenz müssen ihren Beckenboden trainieren, Kinder, die an der Unteraktiven Blase leiden, benötigen ein intensives Blasentraining. Bei Lachinkontinenz helfen Konditionierung und Medikamente.

Unterstützung durch die Eltern

Wenn Eltern fest an den Erfolg ihres Kindes glauben, helfen sie ihm sehr. Um eigene Zweifel zu zerstreuen, hilft es, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass das Problem in der Regel im Jugendalter ausgewachsen ist. Leidet das Kind unter Einnässen oder plagen es Selbstzweifel, kann man es daran erinnern, dass es doch schon ganz andere Dinge im Leben gelernt hat und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es trocken ist.

Gegenüber älteren Kindern können Eltern allerdings bei allem Verständnis auch deutlich machen, dass die Kinder die Verantwortung für ihr Einnässen übernehmen müssen.

Tagsüber können Eltern ihre Kinder unterstützen, indem sie sie regelmäßig zur Toilette schicken, insbesondere dann, wenn die Kinder die Uhr noch nicht lesen können oder die Zeit beim Spielen vergessen. Sehr selbstständige Kinder können sich eventuell einen Wecker stellen und auf diese Weise eigenständig üben.

Verweigern Kinder die Mitarbeit, hilft meist eine liebe- und verständnisvolle Reaktion weiter als Druck, der die Situation zusätzlich verschärfen kann. In der Regel hat diese Eigenständigkeit des Kindes auch positive Aspekte.

Kindern, die nachts einnässen, können Eltern helfen, indem sie ihm tagsüber regelmäßig etwas zu trinken anbieten und das Angebot am Abend reduzieren. Sie sollten das Trinken am Abend allerdings nicht komplett unterbinden.

Beim Einsatz eines Klingelgeräts benötigen zumindest jüngere Kinder ebenfalls die Mithilfe der Eltern. So müssen sie das Kind möglicherweise wecken, wenn sie die Klingel nicht hören, und es zur Toilette schicken. Kleinere Kinder brauchen unter Umständen auch Unterstützung beim Wechseln der Kleidung oder beim Beziehen des Betts. Ältere Kinder sollten diese lästige Aufgabe dagegen immer selbst übernehmen müssen.

Darüber hinaus sollten Eltern den Wert von Kalendern mit Symbolen, die die Kinder verstehen, nicht unterschätzen. Sie können die Kinder stark motivieren. Idealweise nehmen Eltern und Kind den Eintrag im Kalender gemeinsam vor.