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Frühgeborene: Unreif geboren – welche gesundheitlichen Risiken bestehen?

Je früher ein Kind zur Welt kommt, desto unreifer sind seine Organe. Beim Frühgeborenen sind Gehirn, Herz, Nieren, Lunge, Darm und Immunsystem den Anforderungen eines Lebens außerhalb des Mutterleibes in der Regel noch nicht gewachsen.

Allgemeine äußere Erscheinung

Kurioserweise haben Frühgeborene häufig ein greisenhaftes Aussehen. Die Mimik wird noch nicht willkürlich gesteuert, die Augen bleiben oft geschlossen. Ohr- und Nasenknorpel sind häufig noch nicht vollständig ausgebildet. Der Kopf erscheint riesig, denn er hat im Verhältnis zum Körper eine Größe von 1:3 bis 1:2. Der gesamte Körper ist sehr dünn, er wirkt fast zerbrechlich. Die oft gerötete Haut ist durchscheinend, so dass die darunterliegenden Gefäße zu sehen sind. Der Haarwuchs am Kopf ist spärlich. Bei Jungen, die vor der 32. bis 34. Schwangerschaftswoche geboren wurden, sind die Hoden in der Regel noch nicht aus der Leistengegend in den Hodensack gewandert.

Was beinhaltet die intensive Pflege?

Eine besonders intensive Pflege der Frühgeborenen ist i.A. notwendig, um:

  • Körperfunktionen zu überwachen oder zu regeln
  • Folgekrankheiten zu verhindern bzw. ihnen vorzubeugen
  • die Entwicklung der Kinder zu unterstützen und zu fördern.

Im Folgenden werden der medizinische Zustand einzelner Organe bzw. Organsysteme beschrieben und die jeweils erforderlichen Pflegemaßnahmen aufgeführt.

Körpertemperatur

Da ein Frühgeborenes seine Körpertemperatur nicht selbst aufrechterhalten kann, besteht die Gefahr zahlreicher Folgeerkrankungen. Um eine Unterkühlung zu vermeiden, herrscht auf der Frühgeborenenstation eine Raumtemperatur von 20 bis 25°C. Eine Mütze soll verhindern, dass das Kind Körperwärme an seine Umgebung verliert. Andererseits kann auch eine zu hohe Körpertemperatur Schäden verursachen, deshalb wird sie ständig überprüft.

Wasser- und Elektrolythaushalt, Nieren

75 bis 80% des Körpergewichts eines Frühgeborenen bestehen aus Wasser. Viel Flüssigkeit verlieren Frühgeborene über die Haut und die Nieren. Daher muss auf der Frühgeborenenstation eine hohe Luftfeuchtigkeit herrschen. Auch können unreife Nieren den Urin nicht genügend konzentrieren. Dies hat Auswirkungen auf den Elektrolythaushalt der Frühgeborenen: Einerseits können sie beim Ausscheiden von Flüssigkeit lebenswichtige Elektrolyte (Natrium und Kalium) verlieren. Andererseits können sich diese Elektrolyte im Blut anhäufen. Sowohl Elektrolytmangel als auch -überfluss können zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Daher müssen Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt der Frühgeborenen durchgehend kontrolliert werden.

Atmung und Herz-Kreislauf-System

Da das Atemzentrum von Neugeborenen i.A. nicht ausgereift ist, muss die Atmung des Kindes ständig überwacht werden. In manchen Fällen ist eine zusätzliche Unterstützung der Atmung notwendig. Diese kann je nach Zustand und Reife des Kindes medikamentös (z.B. mit Theophyllin) oder mittels Apparaturen erfolgen.

Das Herz-Kreislauf-System der Frühgeborenen ist im Vergleich zu termingerecht geborenen Säuglingen unterentwickelt. Das Blut umgeht den Lungenkreislauf, da es in diesem Entwicklungsstadium normalerweise über die Plazenta der Mutter mit Sauerstoff versorgt wird. Erst nach der Geburt bewirkt der Luftdruck in der Umgebung, dass sich die Lungen entfalten, woraufhin der Lungenkreislauf seine Funktion übernimmt. Die vorgeburtlichen Wege des kindlichen Kreislaufs, die eine Umgehung der Lungen ermöglicht haben (Ductus arteriosus und Foramen ovale), schließen sich bei „reif“ geborenen Kindern spontan. Bei Frühgeborenen muss hingegen überwacht werden, ob dies gelingt. Im Falle eines Ductus arteriosus sind Medikamente (z.B. Indometacin oder Ibuprofen-Gabe) und gelegentlich auch operative Maßnahmen erforderlich.

Da Blutgerinnungssystem und Blutgefäße auch bei Neugeborenen noch nicht voll ausgereift sind, treten häufig Hirnblutungen auf. Daher stellt eine entsprechende Überwachung der Frühgeborenen sicher, dass Hirnblutungen möglichst früh erkannt werden können. Darüber hinaus werden alle Faktoren, die eine Hirnblutung begünstigen, so weit wie möglich ausgeschlossen.

Immunsystem

Frühgeborene sind weitaus anfälliger für Infektionskrankheiten als termingerecht geborene Babys. Daher ist es ein wichtiges Ziel der Frühgeborenenversorgung, Infektionen zu vermeiden bzw. durch sorgfältige Beobachtung der Kinder möglichst frühzeitig zu erkennen.

Verdauung

Der Verdauungstrakt der Frühgeborenen ist oft noch nicht zu einer „normalen“ Nahrungsaufnahme imstande. Nahrungsunverträglichkeiten sind bei Frühgeborenen daher keine Seltenheit. Vielen Frühgeborenen fehlt auch die Kraft zum Saugen. Daher müssen sie oft über eine Sonde ernährt werden. Entzündungen des Dünn- und Dickdarms können ebenfalls als Folge einer Frühgeburt hinzukommen.

Energiehaushalt

Eine wichtige Energiequelles des menschlichen Organismus ist Zucker in Form von Glukose – auch für Frühgeborene. Glukose wird in der Leber in ihre Speicherform, das Glykogen, umgewandelt. Da Frühgeborene noch keine größeren Glykogenvorräte anlegen können, besteht bei ihnen die Gefahr einer Unterzuckerung. Aufgrund der Versorgung des Kindes über einen Tropf (Infusion) lässt sich die Glukose-Menge aber recht gut kontrollieren.

Leber

Neugeborenengelbsucht tritt bei Kindern, die gerade zur Welt gekommen sind, häufig auf – also ebenfalls bei Frühgeborenen, die dementsprechend gezielt beobachtet werden müssen.