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Stellungnahme des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V) zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention (Referentenentwurf BMG)

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.) begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, die bisherige sekundäre Prävention um Maßnahmen der primären Prävention auch im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu ergänzen. Wir bemühen uns seit vielen Jahren um eine Anpassung des gesamten Vorsorgeprogramms für Kinder und Jugendliche an die gesellschaftliche Entwicklung und die neuen Morbiditäten. Der BVKJ hat dazu mehrfach konkrete Vorschläge gemacht und das gesamte Vorsorge- und Früherkennungsprogramm inhaltlich umgestaltet.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.) begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, die bisherige sekundäre Prävention um Maßnahmen der primären Prävention auch im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu ergänzen. Wir bemühen uns seit vielen Jahren um eine Anpassung des gesamten Vorsorgeprogramms für Kinder und Jugendliche an die gesellschaftliche Entwicklung und die neuen Morbiditäten. Der BVKJ hat dazu mehrfach konkrete Vorschläge gemacht und das gesamte Vorsorge- und Früherkennungsprogramm inhaltlich umgestaltet.

Nachfolgend unsere Anmerkungen zum vorliegenden Referentenentwurf des BMG:

Ad § 20 d:

Der BVKJ als Verband, dessen Mitglieder ca. 90 % aller Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern durchführen, beantragt, in diesem Gremium mit wenigstens 2 Vertretern(-innen) eingebunden zu werden.

Ad § 25:

Diese Regelung wird ausdrücklich begrüßt. Der BVKJ geht davon aus, dass es sich hier um eine neue Leistung im EBM handelt, die einer gesonderten Vergütung außerhalb der gedeckelten Gesamtvergütung bedarf.

Ad § 26:

Hier schlägt der BVKJ folgenden Wortlaut vor:

„(1) „Versicherte Kinder und Jugendliche haben bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres Anspruch auf regelmäßige kinder- und jugendärztliche Untersuchungen zur Prävention und Früherkennung und von Störungen der psychischen und physischen Gesundheit, die ihre körperliche, geistige, emotionale oder psychosoziale Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden. Sie umfassen sofern medizinisch angezeigt, eine Präventionsempfehlung für Leistungen nach § 20 Absatz 3 Satz 2 in Form einer ärztlichen Bescheinigung. Die Untersuchungen beinhalten auch eine Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und eine darauf abgestimmte altersbezogene präventionsorientierte Beratung, die gesundheitliche Verhaltensweisen anspricht, die gesundheitliche Eigenkompetenz und Eigenverantwortung zu fördern versucht, die Resourcen der Familie berücksichtigt und über typische Risiken und Gefahren informiert.“ ........

Der bisherige Entwurf in der Zeit der Entwicklung der Eigenständigkeit, des eigenen Lebenskonzeptes junger Menschen nur eine einzige Früherkennungsuntersuchung im Jugendalter ab dem 10. Geburtstag vorzugeben, entspricht in keinster Weise der Grundintention dieses Gesetzes. Nur ein Bruchteil der Jugendlichen wird im Alter zwischen 16 und 18 Jahren durch die Jugendarbeitsschutzuntersuchung erfasst, auch hier sind Lücken zu schließen.

Der neue §26 beabsichtigt ähnlich wie bei Erwachsenen, die Erfassung von Risiken durch geeignete Instrumente (z.B. Fragebögen, Risiko-Tests oder Risiko-Scores, s.S. 26). Ein dadurch zu erstellendes individuelles Risikoprofil führe zu einer präventionsorientierten Beratung und ggfs. zur Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung (Präventionsempfehlung). Dies sei für die Krankenkassen die Grundlage für die Kostenübernahme einer Leistung zur individuellen Prävention (gedacht ist an Übergewicht- und Adipositasprävention, Bewegungsförderung, Stressbewältigung usw.).

Für die Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und Jugendlichenalter greift ein solches Konzept viel zu kurz, da gerade hier noch die Möglichkeit besteht, eine Krankheit zu vermeiden, zu beseitigen oder Krankheitsfolgen zu mindern. Ohne die vorausschauende Beratung hätte die Gesetzesänderung ihr selbstgestecktes Ziel verfehlt. So steht im „Präventionspapier“: Kinder und Jugendliche zu einer gesundheitsbewussten Lebensweise zu motivieren, kann erst Jahrzehnte später zu einer messbaren Reduktion des Krankheitsgeschehens führen.

In dem Entwurf wird behauptet, dass „Präventionsorientierte Informationen und Hinweise bereits regelmäßiger Bestandteil der ärztlichen Behandlung und Beratung auch der Kinderfrüherkennungsuntersuchungen“ seien. Bisher ist das allerdings nur in sehr geringem Ausmaß der Fall. In den derzeit gültigen Richtlinien über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres steht dazu: Bei der U3: „ Ernährungshinweise im Hinblick auf Mundgesundheit“ . Bei der U5: „ Hinweise zu Mundhygiene und zahnschonender Ernährung“. Bei der U6: „ Hinweise zur Zahnpflege“. Das ist alles und viel zu wenig.

Weitere Anmerkungen:
Bei der Prävention in Gruppensettings in Kitas und Schulen sollte kinder- und jugendärztlicher Sachverstand einbezogen werden. Prävention in Kitas und Schulen ist eine Aufgabe vieler Professionen. Die Ergebnisse zu "Gesunde Schule", OPUS Schule oder Kita und vielen anderen Projekten haben gezeigt, dass interdisziplinäre Arbeit unter Einschluss von ärztlichem Sachverstand dringend notwendig ist. (s. auch: Handbuch "Arzt und Schule" des BVKJ)

In dem Referentenentwurf ist außerdem ausdrücklich ein Bonus-System vorgesehen: „Jede Krankenkasse ist damit in der Regel verpflichtet, in ihrer Satzung Boni als finanzielle Anreize für ein gesundheitsbewusstes Verhalten Ihrer Versicherten vorzusehen“ (§ 65 a). Der BVKJ ist prinzipiell gegen eine Bonifizierung von an sich schon kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen und der kostenlosen Teilnahme an gesundheitsfördernden Maßnahmen.

Vielmehr halten wir es für viel sinnvoller, mit einem verbindlichen Einladungssystem zu den Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und Jugendlichenalter gerade die „bildungsfernen“, sozial schwachen und ebenso die Familien mit Migrationshintergrund zu motivieren, an diesen kostenlosen Untersuchungen teilzunehmen. Dies hat sich bereits in vielen Bundesländern bewährt und zu einer deutlichen Steigerung der Teilnahmerate an den Untersuchungen geführt, insbesondere auch bei den Untersuchungen ab dem vollendeten 2. Lebensjahr. Das Bundesland Brandenburg zeigt, dass man auch Jugendliche mittels solcher Instrumentarien erreichen und motivieren kann.

Unsere Erfahrungen mit Bonusanreizen der Krankenkassen, die im Wert oft höher sind als die Vergütung der Früherkennungsuntersuchungen selbst, zeigt, dass die Bonusangebote bildungsferne und Familien mit Migrationshintergrund nicht erreichen und somit auch nicht motivieren, sich an Präventionsmaßnahmen zu beteiligen.

So steht auf Seite 10: „ Insbesondere sollen diejenigen Menschen zu gesundheitsbewusstem Verhalten in die Lage versetzt werden, die – wie Jugendliche mit Migrationshintergrund und Menschen mit niedrigem Bildungsstand - oft schwer erreichbar sind.“ Es wäre daher vernünftiger, auf die Boni zu verzichten. Auch sollten die bisherigen Einladungssysteme der Krankenkassen auf Jugendliche ausgedehnt werden.

Wie wenig das Vorsorgesystem für Kinder und Jugendliche die Krankenkassen kostet, zeigt eindrücklich der Kommentar auf S.2: „ Bei einer flächendeckenden Einführung einer zusätzlichen Kinderfrüherkennungsuntersuchung (§ 26 Absatz1) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss entstehen den Krankenkassen Mehraufwendungen im niedrigen einstelligen Millionenbereich.“


Köln, 31.01.2013

Dr.med. W. Hartmann, Präsident