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Statistiken zu Impfquoten in Deutschland sind mangelhaft

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) verweist darauf, dass die Zahl der Impfungen, die Kinder in Deutschland tatsächlich bekommen, unter denen liegen, die offiziell bekannt gegeben werden. Der Impfstatus der Kinder wird bei der so genannten Schuleingangsuntersuchung erfasst; doch gehen u.a. nur diejenigen Kinder in die Statistik ein, die ihren Impfpass vorlegen...

Die Zahl der Impfungen, die Kinder in Deutschland tatsächlich bekommen, liegt unter denen, die offiziell bekannt gegeben werden. Darauf weist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in München hin. „In Deutschland wird der Impfstatus der Kinder vor der Einschulung bei der so genannten Schuleingangsuntersuchung erfasst. Doch diese Angaben sind lückenhaft. Zum einen gehen bei dieser Untersuchung nur diejenigen Kinder in die Statistik ein, die ihren Impfpass vorlegen – man muss davon ausgehen, dass bei einem Großteil derjenigen, die ihren Impfpass nicht dabei haben, auch Impfungen fehlen. Zum anderen sind diese Daten nicht zeitnah – sie zeigen nur, was vor 4-6 Jahren geimpft wurde oder auch nicht“, kritisiert Prof. Dr. Rüdiger von Kries vom Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin an der Universität München und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI). Die gesammelten Daten eines Schuljahrganges werden jährlich vom Robert Koch-Institut in Berlin für ganz Deutschland veröffentlicht. Experten – auch am RKI - gehen davon aus, dass diese statistischen Impfquoten höher sind als die tatsächlichen und die vorhandenen Impflücken in Deutschland größer sind als angenommen. Noch gravierender sind die Unterschiede, wenn man auswertet, welche Kinder in Deutschland die empfohlenen Impfungen zeitgerecht bekommen. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass nur etwa 20-40% der Kinder die notwendigen Impfungen zum empfohlenen Zeitpunkt bekommen. Und diese Impflücken, die bis zum zweiten Lebensjahr auftreten, werden erst im Schulalter – wenn überhaupt - erkannt. Kein Wunder, dass es daher immer wieder zu großen Epidemien hierzulande kommt, bei denen auch jüngere Kinder angesteckt werden. Je früher ein Kind z.B. an Masern erkrankt, desto höher ist sein Risiko für die tödliche Masern-Folgekrankheit SSPE (Subakute Sklerosierende Panenzephalitis)“, verweist v. Kries auf die jüngsten Masernausbrüche in Nordrhein-Westfalen (NRW) und im Großraum Stuttgart. Mehr als 100 Kinder im ersten Lebensjahr hatten sich bei diesen Epidemien mit Masern angesteckt.

Impfpasskontrolle vor Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung
Experten fordern die Überprüfung des Impfstatus als Voraussetzung für den Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung. „Eigentlich dürfte es in Deutschland gar nicht mehr vorkommen, dass ganze Kindergärten wegen einer Windpockenepidemie geschlossen werden oder Schüler ohne Masernimpfung diese gefährliche Erkrankung verbreiten. Doch das gehört leider fast schon zum Alltag. Offensichtlich scheint das Gesundheitsbewusstsein bei manchen Verantwortlichen in Gemeinschaftseinrichtungen nicht ausreichend geschärft zu sein. Kein Kind sollte eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen können, ohne einen vollständigen Impfstatus dokumentieren zu können“, fordert Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des BVKJ. Auch die Vorgehensweise in vielen anthroposophischen Gemeinschaftseinrichtungen hält der Ärztepräsident für problematisch. „Krankmachende Erreger kennen keine Grenzen. Es ist daher nicht zu akzeptieren, dass von vielen Waldorfschulen in Süddeutschland z.B. gar keine Daten bzgl. der Durchimpfungsraten bekannt sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es dort dann zu Epidemien kommt, weil die Kinder nicht geimpft sind“, verweist Hartmann auf den Masernausbruch im Großraum Stuttgart. Dort waren im Frühjahr 2006 mehr als 130 Kinder an Masern erkrankt – der größte Teil davon waren ungeimpfte Kinder aus Waldorfschulen- und Kindergärten. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind die Gesundheitsämter verpflichtet, den Impfstatus der Schüler in der ersten Klasse zu erfassen und weiterzugeben. Doch nicht selten wird dies von Seiten der anthroposophischen Privatschulen ignoriert. So werden den zuständigen Gesundheitsämtern im Großraum Stuttgart von den dort ansässigen Waldorfschulen keine oder nur unzureichende Informationen zum Impfstatus der Schüler mitgeteilt – und das trotz mehrfacher Aufforderung. Ähnliche Erfahrungen hat man im Gesundheitsamt Weilheim-Schongau in Oberbayern gemacht. „Wir haben einer anthroposophischen Schule im Landkreis mehrfach angeboten, den Impfstatus der Schüler zu überprüfen und ggf. Impflücken zu schließen. Seit ca. 7 Jahren warten wir auf eine Reaktion dieser Schule“, so Dr. Karl Breu, Leiter des Gesundheitsamtes Weilheim-Schongau. Erfolgreicher ist man da in Schleswig-Holstein. Seit nunmehr 6 Jahren müssen Eltern, die ihre Kinder in einer Kindertagesstätte anmelden wollen, eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, in der auch der Impfstatus abgefragt wird. „Dieses Modell hat sich bewährt. Wir wissen jetzt bereits im Kindergartenalter, wie es um den Impfstatus der Kinder bestellt ist und können daher frühzeitig Impflücken schließen. Auch die Eltern nehmen diese Regelung gut an. Bei den meisten Kindern, bei denen Impfungen fehlen, wurden die Impftermine schlichtweg vergessen. Nur in den seltensten Fällen gibt es Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollen. Die Zahl derer ist aber so gering, dass es uns gelingen wird, die notwendigen Impfquoten zu erreichen, um eine so genannte Herdenimmunität und damit einen Schutz für alle Kinder zu erreichen. Da bin ich sehr zuversichtlich“, erläutert Dr. Michael Kinet vom Impfausschuss der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) die Erfahrungen mit der seit dem Jahre 1999 gültigen Landesverordnung für Kindertageseinrich-tungen in Schleswig-Holstein.