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Mukoviszidose: Antibiotikum wird inhaliert

Ein Durchbruch im Kampf gegen die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose ist in Tübingen und Essen gelungen. Die am meisten gefürchtete, fast immer tödliche chronische Lungeninfektion durch Pseudomonas-Bakterien kann durch eine frühe konsequente Behandlung mit Antibiotika verhindert werden. Das bedeutet für die Betroffenen eine weitere Steigerung der Lebenserwartung und der Lebensqualität.
Mukoviszidose oder Cystische Fibrose (CF) ist die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung in Deutschland - etwa eines von 2.500 Neugeborenen leidet darunter.

Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist allgegenwärtig und für die meisten Menschen ungefährlich. Doch bei Patienten mit Cystischer Fibrose (CF), wie die Mukoviszidose auch genannt wird, bewirkt das Bakterium eine chronische eitrige Lungenentzündung, die die Lungenfunktion zerstört. "Sie ist die gefürchtetste und häufigste Komplikation der
Mukoviszidose", sagt Prof. Gerd Döring vom Institut für Allgemeine und Umwelthygiene der Universität Tübingen und Präsident der European Cystic Fibrosis Society.

Eine kürzlich im Fachblatt «The Lancet» veröffentlichte gemeinsame Studie des Tübinger Instituts und der Unikinderklinik Essen hat jetzt nachgewiesen, dass eine frühzeitige inhalative Therapie mit Antibiotika den Erreger komplett vernichtet, ohne dass chronische
Lungenentzündungen entstehen. Döring: "Wir konnten die Häufigkeit der Pseudomonas-Infektionen erheblich senken - für die Patienten und ihre Familien ein großes Hoffnungszeichen."

Die Mukoviszidose, eine bisher unheilbare Stoffwechselkrankheit, betrifft vor allem Atemwege und Lunge, aber auch Verdauungsdrüsen. Zäher Schleim verstopft die Bronchien und blockiert Ausführungsgänge vor allem der Bauchspeicheldrüse. Mit einem kranken Neugeborenen auf 2000 gesunde ist Mukoviszidose in Europa die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung. Jeder 20. Weiße ist Genträger und kann - obwohl selbst gesund - die Krankheit an seine Kinder weitergeben.

Eine Heilung durch Gentherapie steht noch in den Sternen: Als Ursache des Leidens sind bis heute rund 1000 unterschiedliche Mutationen in einem einzigen Gen identifiziert. Verbesserte Therapien haben zwar die Überlebenszeit auf mehr als 20 Jahre angehoben, doch einen Durchbruch brachten sie bisher nicht.

Lungeninfektion vorbeugen

Die Hoffnung heißt deshalb Prävention. Döring: "Es darf gar nicht erst zu einer chronischen Lungeninfektion kommen; man muss den Erreger vernichten, bevor er verschleimt, mukoid wird." Ist die Infektion erst einmal chronisch geworden, kommt das Antibiotikum gegen Pseudomonas nicht mehr an. "Es kann allenfalls ihre Zahl reduzieren - von Milliarden auf Millionen. Die Patienten leiden an andauernden Lungenentzündungen, die die Lunge kaputt machen."

Da in praktisch allen deutschen Mukoviszidose-Zentren die vierteljährliche Vorstellung der Patienten Konsens ist, kann eine Pseudomonas-Infektion rechtzeitig erkannt und der Erreger durch eine sofort beginnende Antibiotika-Behandlung vor der Verschleimung erwischt werden.

In der Studie lief diese Behandlung ein Jahr lang. Alle drei Monate wurde kontrolliert - per Abstrich und Blutentnahme. Die normale Abstrichdiagnostik in der Klinik ist laut Döring allein unsicher, zu oft falsch negativ. Die Blutuntersuchung dagegen "ist ein echter und zuverlässiger Nachweis". Seit langem wird Mukoviszidose-Blut aus ganz Deutschland im Tübinger Hygiene-Institut untersucht. Mit der Therapie ist Schluss, wenn keine Bakterien mehr da sind; das kann schon nach den ersten drei Monaten der Fall sein.

Möglich geworden ist diese konsequente Antibiotika-Frühbehandlung durch die moderne Technik der Verabreichung: Die Spritze in die Vene wird durch Inhalieren ersetzt. Angst vor Nebenwirkungen werden praktisch gegenstandslos, da das Antibiotikum gezielt angewendet wird und nur dort wirkt, wo es wirken soll. Und: Die Behandlung kann zu Hause vollzogen werden; die Klinik ist normalerweise nur für die vierteljährliche Kontrolle angesagt.