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Jede vierte 12-Jährige hat Essstörungen

Laut einer Studie der Universität Jena stehen viele Mädchen unter der Diktatur des Bodymassindex. Fernsehshows und Jugendzeitschriften verstärken die Wunschvorstellung eines „perfekten“ Gewichts. Viele Zwölfjährige glauben demnach, dass sie nicht mehr als 40 Kilogramm wiegen dürfen. Überschreiten sie diese Grenze, fangen sie mit Diäten an…

Fast jede vierte Zwölfjährige zeigt nach einer Studie der Universität Jena Symptome einer Essstörung. Die Mädchen stehen unter einer Diktatur des Bodymassindex durch Heidi-Klum-Shows und Bravo-Vorbilder“, erklärt Dr. Uwe Berger vom Institut für medizinische Psychologie in Erfurt. Dort stellte er ein Schulprojekt zur Prävention von Magersucht vor. Der an 20 Schulen getesteter Unterricht sei sehr erfolgreich verlaufen: Die Risikogruppe von knapp 23% reduzierte sich auf 8%.

Schulprojekt stellt Idealbild der Medien in Frage
Das auf neun Unterrichtsstunden angelegte Projekt biete den Mädchen ein Forum, sich kreativ mit dem Thema Essstörung und Schönheit zu beschäftigen. „Viele Schülerinnen haben in der Reaktion geschrieben, wie froh sie sind, endlich mal darüber reden zu können“, so Dr. Berger. Ausgangspunkt für Diskussionen, Rollenspiele und Fantasiereisen sind Plakate mit der Barbie-Puppe oder ein Klo mit Erbrochenen.

Die öffentliche Debatte des Themas Bulimie hat für Dr. Berger bislang wenig positive Wirkungen gezeigt. „Im Gegenteil: Die Vorgaben, wie schwer ein Mädchen sein darf, haben sich festgesetzt“, sagte der Psychologe und verwies auf die Fotoromane der Jugendzeitschrift „Bravo“, bei denen seit einiger Zeit Größe und Gewicht der Darsteller aufgeführt werden. „Viele der Zwölfjährigen sind überzeugt, dass sie nicht mehr als 40 Kilogramm wiegen dürfen. Überschreiten sie diese Grenze, fangen sie mit Diäten an“, erläuterte der Psychologe ein Ergebnis der Studie mit 500 Schülerinnen.

Die Casting-Show von Topmodell Heidi Klum trage zur Verharmlosung des Problems bei. Schwierig sei dabei weniger die Situation der verbliebenen Kandidatinnen, die für ihren Traumberuf auf ihre Figur achten müssten. Laut Dr. Berger sind vor allem die Ausgeschiedenen die Leidtragenden, wenn sie nun überzeugt sind, dass sie zu dick sind.

Ess-Störungs-Initiative ThEssi bietet Beratungs-Hotline
Die seit Jahren konstante Zahl von 1% der 12- bis 28-Jährigen, die mit Essstörungen behandelt werden, hält Dr. Berger nicht für aussagekräftig. „Das liegt an der Zahl der Behandlungsstellen, die trotz des steigenden Bedarfs gleich geblieben ist.“ Etliche Kommunen in Deutschland hätten im vergangenen Jahr sogar Beratungsstellen geschlossen. In Thüringen gebe es überhaupt keine Anlaufstelle oder Selbsthilfegruppe für Magersüchtige. Deshalb habe er den Verein Ess-Störungs-Initiative (ThEssi) gegründet und ein Beratungstelefon geschaltet.

Das Kultusministerium rief die Schulen auf, das Projekt über Essstörungen in den Unterricht zu übernehmen. „Wir setzen dabei auf Freiwilligkeit“, sagte Referatsleiterin Dr. Christina Kindervater. Bei der Umsetzung seien die Schulen weitgehend auf sich gestellt. Nach Einschätzung von Berger stellt das ein Problem dar. Vor allem in höheren Klassen, in denen das Projekt fortgesetzt werden müsse, seien zusätzliche Lerninhalte nur schwer in den Stundenplan zu integrieren.