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Hörschädigungen im Kleinkindalter - Frühe Behandlung ist entscheidend

Von 1.000 Kindern kommen ein bis zwei mit einer schweren beidseitigen Hörminderung zur Welt. In den ersten Lebensjahren treten zudem bei einem von 2.000 Kindern - meist als Folge von Infekten - beidseitige Mittelohrschwierigkeiten auf. Je früher diese Hörschädigungen erkannt und behandelt werden, desto weniger sind betroffene Kinder in ihrer sprachlichen und sozialen Entwicklung beeinträchtigt…

Sie reagieren weder auf freundliche Worte noch auf laute Geräusche: Von 1.000 Kindern kommen ein bis zwei mit einer schweren beidseitigen Hörminderung zur Welt. Meist handelt es sich um eine Schädigung des Innenohres. „Leider haben wir viele Fälle, wo Eltern erst zu uns kommen, wenn das Kind bereits zwei Jahre ist. Das ist viel zu spät“, erklärt Prof. Dr. Annerose Keilmann, Leiterin der Klinik für Kommunikationsstörungen der Universität Mainz. Zwar gibt es Neugeborenen-Hörtests, doch sie sind nicht verpflichtend. So ist die aufmerksame Beobachtung durch Eltern und Erzieher unerlässlich.

Das gilt nicht nur für Säuglinge: Bei einem von 2.000 Kindern treten in den ersten Lebensjahren beidseitige Mittelohrschwierigkeiten auf - meist als Folge von Infekten. Auch sie sollten schnellstmöglich behandelt werden. „Die große Gefahr ist, dass sonst die Sprachentwicklung, aber auch die emotionale Kompetenzentwicklung leidet“, warnt Priv.-Doz. Dr. Fabienne Becker-Stoll, Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. „Ein Kind, das nicht versteht, um was es im Spiel der anderen geht, wird sich immer mehr in sich zurückziehen.“ Und von Erwachsenen wird ein Kind, das auf direkte Ansprache nicht reagiert, schnell als trotzig abgestempelt.

Rechtzeitig erkennen
Hier müssen Eltern sorgfältig differenzieren. Erschrickt ihr Sprössling nicht, wenn eine Tür hinter ihm zuknallt? Schlummert er auch bei lauter Musik? „Auch wenn ein älteres Kind wieder anfängt zu nuscheln, die Sprachentwicklung also rückläufig ist, so kann dies Anzeichen einer Hörschädigung sein“, sagt Fachärztin Keilmann. Weitere Alarmzeichen sind Hörschädigungen in der Familie, Krankheiten während der Schwangerschaft oder eine Risikogeburt. Je früher eine Therapie beginnt, umso besser für die sprachliche und soziale Entwicklung des Kindes.

Laut einer aktuellen englischen Studie erreichten Kinder, deren angeborener Hörfehler noch vor neun Monaten erkannt und behandelt wurde, deutlich bessere Ergebnisse beim passiven und aktiven Spracherwerb wie Kinder, die erst später eine Behandlung erhielten.

Moderne Hörsysteme für Kinder
Bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit kann meist ein so genanntes Cochlear -Implantat, ein künstliches Innenohr, helfen. Sonst wird ein Hörsystem verordnet. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man eine Hörstörung durch ein Gerät vollständig ausgleichen kann“, erläutert Professor Keilmann. „Aber es kann die gesamte Lebenssituation des Kindes und später des Erwachsenen erheblich verbessern.“ Beim Aussuchen des Gerätes kann und muss die Neugier des Kindes geweckt werden, z.B. mit bunten oder verzierten Hörgeräten. Das Kind muss mit dem Gerät vertraut werden und es als selbstverständlichen Teil seines Lebens akzeptieren. Hier können Eltern motivierend wirken.

Durch gezielte pädagogische Maßnahmen - von der Therapie beim Logopäden bis zum Besuch einer Kindertagesstätte für Hörgeschädigte - kann das Kind gefördert werden. Welche Maßnahmen ergriffen werden, richtet sich immer nach den individuellen Bedürfnissen des Kindes und nach dem Angebot vor Ort. Der Kinder- und Jugendarzt kann Eltern dabei unterstützen.