Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie (Ess- und Brechsucht) bei Jugendlichen dürfen nach Expertenansicht nicht unterschätzt werden. 1 bis 3% aller Jugendlichen seien davon betroffen, erklärt Professor Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt, Kinder- und Jugendpsychiater aus Marburg. „Diese Entwicklung ist stark abhängig von gesellschaftlichen Prozessen, bei einem starken Schlankheitsideal treten die Krankheiten häufiger auf.“
Überwiegend junge Frauen von Essstörungen betroffen
Oft seien extrem ehrgeizige und intelligente Mädchen davon betroffen, nur etwa 5% der Erkrankten seien Jungen. „Das Alter der Ersterkrankten bei Magersucht ist auf etwa 14 Jahre gesunken“, so Professor Remschmidt. Die Bulimie trete in den meisten Fällen erst um das 20. Lebensjahr herum auf. Bei zwei Dritteln der Magersüchtigen komme es nach einer anfänglichen Hochphase zu Depressionen, bei den Bulimikerinnen sei der Anteil der Depressiven noch höher.
Oft würden die Erkrankungen durch ein gestörtes Selbstwertgefühl gefördert. „Wenn Mädchen in der Pubertät ein wenig pummelig sind und dann von ihrer Umgebung gehänselt werden, dann kann das ein Auslöser sein.“ Professor Remschmidt warnte vor einer Verharmlosung der Krankheit. Untersuchungen zufolge würden 8% der Betroffenen an den Spätfolgen sterben. „Sie verhungern nicht, sondern haben Sekundärerkrankungen wie Herzprobleme.“
Frühzeitige Behandlung entscheidend
Bei den Therapien sei eine Verbindung verschiedener Komponenten sinnvoll, die auch die Eltern einbeziehe. Als erstes müsse das Gewicht der Patientinnen langsam erhöht werden, allerdings nicht um mehr als 500 Gramm pro Woche, da sie ansonsten die Nahrung nicht mehr verarbeiten könnten. Wichtig sei eine frühzeitige Behandlung. Gefährlich sei ein niedriges Gewicht über Jahre hinweg, da der Körper sich dann umstelle und beispielsweise auch die Produktion von Hormonen zum großen Teil einstelle. Oft falle bei den Patientinnen dann der Zyklus komplett aus.
Professor Remschmidt verwies auf die Erfolge der Therapiemethoden. So sei bei etwa 40% der behandelten Patientinnen nach fünf Jahren keine Magersucht mehr vorhanden. Allerdings führe die Krankheit oft zu Persönlichkeitsstörungen und Rückfällen in Krisensituationen. Bei der Bulimie spiele die medikamentöse Behandlung eine wichtigere Rolle.