Die angeborene Zwerchfellhernie ist eine der tödlichsten Fehlbildungen für Neugeborene. Das Hauptproblem ist die unterentwickelte Lunge. Das Krankheitsbild umfasst zudem ein Loch im Zwerchfell, das von Kinderchirurg:innen korrigiert wird, indem sie es in der ersten Lebenswoche operativ verschließen. Auch nach einer erfolgreichen Operation versterben Kinder mit Zwerchfellbruch jedoch häufig an der Unterentwicklung ihrer Lungen. Die sogenannte Lungenhypoplasie ist bisher therapeutisch kaum beeinflussbar. Forscher:innen der Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Leipzig wollten deshalb herausfinden, welche molekularen Mechanismen diese Fehlentwicklung verursachen – und ob sie gezielt behandelt werden könnten.
„In der aktuellen Studie konnten wir in menschlichen Lungen nachweisen, dass bestimmte Entzündungszellen – insbesondere Makrophagen – vor und nach der Geburt vermehrt auftreten. Das könnte die Entwicklung der Lungenstruktur, wie wir sie bei der angeborenen Zwerchfellhernie sehen, beeinflussen“, erklärt PD Dr. Richard Wagner, Leiter der Studie in Leipzig. „Zudem konnten wir einige Parallelen bei Entzündungsprozessen des Zwerchfellbruchs zwischen Tiermodellen und humanen Proben bestätigen – ein entscheidender Schritt, um potenziell künftige Therapien auf den Menschen zu übertragen“, sagt der Oberarzt und Forschungsgruppenleiter für Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Leipzig.
Die aktuellen wissenschaftlichen Analysen zur Erkrankung des angeborenen Zwerchfellbruchs, die gemeinsam mit Forschenden in Mannheim, Paris, Winnipeg und Boston entstanden sind, zeigen, dass die entzündlichen Signalwege des Immunsystems überaktiviert sind. Auffällig war auch der sogenannte Makrophagen-Migrationsfaktor, der mit Störungen im Lungenaufbau verbunden ist.
Für die Studie wurden moderne Forschungsmethoden eingesetzt, um mittels „Proteomics“-Technologie eine Vielzahl von Proteinen in den fötalen Lungen analysieren zu können. Außerdem wurden spezielle mikroskopische Färbungen und Zellmessmethoden angewandt. Die Ergebnisse sind mit bioinformatischen Instrumenten analysiert und mit Erkenntnissen aus einem Stammzellmodell und Tiermodellen verglichen worden. PD Dr. Jan-Hendrik Gosemann, geschäftsführender Oberarzt und Forschungsgruppenleiter in der Kinderchirurgie am UKL, hatte in einer vorherigen Studie bereits im Tierversuch nachgewiesen, dass sich in den Lungen ungeborener Ratten mit Zwerchfellhernie mehr Makrophagen finden lassen.
„Die aktuellen Ergebnisse unserer Studie haben das Potenzial, eines Tages in neue Behandlungsansätze umgesetzt zu werden. Wenn es gelingt, die vermehrte Entzündung während der Schwangerschaft gezielt zu bremsen, könnten wir womöglich die Lungenentwicklung fördern und so die Überlebenschancen und Lebensqualität betroffener Kinder verbessern. Die Hoffnung wäre, eine medikamentöse Zusatztherapie zu entwickeln, die vor der Geburt zur Anwendung kommt“, sagt PD Dr. Wagner.
Um diesen Ansatz weiterzuverfolgen, arbeitet das Leipziger Team derzeit am Aufbau eines großen DFG-geförderten Forschungsprogramms. Geplant sind Tests verschiedener anti-entzündlicher Substanzen in Tiermodellen sowie an patienteneigenen Stammzellen mit dem Ziel, langfristig klinische Studien zur pränatalen Behandlung vorzubereiten. „Bisher handelt es sich bei unseren Studien noch um molekulare und zelluläre Beobachtungen. Aber unsere kontinuierliche Forschung und die daraus resultierenden Ergebnisse in vergangenen und aktuellen Publikationen sind gute Hinweise dafür, dass eine vermehrte Entzündung ein zentraler Treiber dieser schweren Fehlbildung ist“, betont Kinderchirurg PD Dr. Wagner. „Insbesondere freut mich auch, dass Frau Katinka Sturm, Doktorandin in unserer Abteilung, eine Erstautorin bei dieser Arbeit ist - eine tolle Auszeichnung für eine so junge Wissenschaftlerin.“
Anne Grimm, Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion, Universität Leipzig Medizinische Fakultät
Quellen: idw-online.de, Universität Leipzig, American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine
doi.org/10.1164/rccm.202501-0153RL