Die sexuelle Aufklärung bei Minderjährigen muss verstärkt werden. Familien, Schulen und Beratungsstellen müssen eher handeln, sagt der Leiter der Forschungsstelle für Sexualwissenschaft an der Universität Landau, Prof. Norbert Kluge. Vor allem Väter müssten sich mehr als bisher einbringen, damit Jungen eher als in der Schule mit sexuellen Fragestellungen konfrontiert werden.
Kluge verwies auf eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, nach der viele Jugendliche beim ersten Geschlechtsverkehr nicht verhüteten. Bei den 14-jährigen Jugendlichen waren dies je 18% der Jungen und Mädchen, bei den 15-Jährigen überwiegen die Jungen mit 19%, während die Mädchen vergleichsweise nur auf 17 % kommen. Bei den 17-Jährigen haben 12% der Jungen nicht verhütet, bei den Mädchen ist es nur 1%.
Sexualität enttabuisieren
Prof. Kluge fordert Gespräche über Sexualität zu enttabuisieren. "Da nicht wenige Menschen es heute möglichst vermeiden, über sexuelle Fragen offen und vorurteilsfrei zu reden, erscheint es erforderlich, das sachliche Sprechen über Sexualität erst einmal zu erlernen", rät er. Auch müssten die Lehrpläne der Grundschule und der Sekundarstufe 1 darauf hin geprüft werden, ob das Thema Sexualität nicht zu spät angeboten werde.
In der Familie müsse der Vater "mehr in die Pflicht" genommen werden, forderte Kluge. "Die Jungen erfahren im Elternhaus zu wenig über Sexualität." Das Thema Aufklärung bleibe Untersuchungen zufolge meist der Mutter überlassen; dabei erfahre der Junge jedoch nicht genug. Deshalb sei es erforderlich, dass die Eltern bei der Aufklärung ein Gleichgewicht herstellen. Auch müsse darüber gesprochen werden, ob die "Pille danach" nicht wie in anderen Ländern rezeptfrei sein solle.
Ursache zunehmender Schwangerschaftsabbrüche klären
Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen von 1996 bis 2001 um 2.881 Fälle gesteigen. pro familia weist darauf hin, dass diese Zahlen etwas in die Irre führen. Da Abbrüche bei Minderjährigen seltener vorkommen als bei Erwachsenen, wirken sich auch relativ kleine Veränderungen in der Zahl prozentual stark aus. pro famila fordert, dass die Hintergründe für diesen Anstieg untersucht werden, um den genauen Handlungsbedarf zu erkennen. Eine Analyse muss klären, aus welchen sozialen, religiösen und kulturellen Zusammenhängen die ungewollt schwangeren Jugendlichen kommen.
Aus Sicht von pro familia sind günstige Rahmenbedingungen die Voraussetzung, um ungeplanten Schwangerschaften vorzubeugen. Diese beinhalten zielgruppengerechte Sexualaufklärung, Zugang zu Bildung und die Möglichkeit, die eigene Zukunft gestalten zu können. "Um verantwortlich ihre Sexualität leben zu können, brauchen Jugendliche nicht zuletzt eine gesellschaftliche Atmosphäre von Toleranz, in der unterschiedliche sexuelle und partnerschaftliche Lebensweisen sich entwickeln können und geachtet werden."
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