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Alkoholgeschädigtes Kind: Bewährte Diagnostik und Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren

Im Vorfeld des „Tages des alkoholgeschädigten Kindes“ am 9. September warnt der BVKJ-Suchtbeauftragte Dr. Wolf-Rüdiger Horn vor den Folgen von Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft. Doch er mahnt mit anderen Experten vor voreiligen Schlussfolgerungen und Schuldzuweisungen. Störungen der Entwicklung, des Verhaltens und der Aufmerksamkeit können auch andere Ursachen haben. Für das Kind ist vor allem die frühzeitige Diagnostik und Behandlung entscheidend, was derzeit Sozialpädiatrische Zentren leisten können ...

Im Vorfeld des „Tages des alkoholgeschädigten Kindes“ am 9. September erinnert der BVKJ-Suchtbeauftragte Dr. Wolf-Rüdiger Horn an die Folgen von Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft: „Betroffene Kinder mit (embryo-)fetalem Alkoholsyndrom (FAS) fallen schon bei der Geburt durch ausgeprägte Mangelernährung, einen zu kleinen Kopf, charakteristische Gesichtszüge und weitere Störungen wie Herzfehler auf, im weiteren Verlauf zeigt sich eine erhebliche geistige Entwicklungsverzögerung, meist gepaart mit gesteigerter körperlicher Aktivität. Der Schwangerschaftsverlauf war neben dem chronischen Alkoholmissbrauch meist durch Armut, schlechte Ernährung, Tabakrauchen oder seelische Probleme der werdenden Mütter belastet, wie wir aus der Forschung der letzten 40 Jahre wissen.“

Schwieriger einzuordnen, auch hinsichtlich der möglichen Mitverursachung durch Alkohol in der Schwangerschaft, sind Erscheinungsformen mit nur geringen oder sogar fehlenden körperlichen Auffälligkeiten, wohl aber mit Störungen der Entwicklung, des Verhaltens und der Aufmerksamkeitsleistung. Professor Dr. Hans Michael Straßburg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ), meint dazu: „Bei der Diagnosestellung müssen neben der Klärung, ob schädigende Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder andere Drogen während der Schwangerschaft konsumiert wurden, auch andere Ursachen für eine beeinträchtigte Entwicklung wie Hirnanlagestörungen, extreme Frühgeburtlichkeit und psychosoziale Einflüsse in Erwägung gezogen werden.“

Derartige Entwicklungsstörungen müssen früh erkannt und behandelt werden. Diese Aufgabe erfüllt seit über 20 Jahren ein flächendeckendes Netz von 130 Sozialpädiatrischen Zentren (SPZs), in denen eine interdisziplinäre Mehrbereichs-Diagnostik unter Berücksichtigung der Ursachen erfolgt und sowohl therapeutische Maßnahmen als auch eine Langzeitbetreuung in enger Zusammenarbeit mit Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen, Logopäden und Sozialpädagogen je nach Störungsbild eingeleitet werden. Der Suchtbeauftragte des BVKJ meint dazu: „Ganz im Vordergrund steht hierbei die gezielte Hilfe für das entwicklungsbeeinträchtigte Kind und seine Eltern oder Pflegeeltern.“ Professor Straßburg führt ergänzend aus: „Einseitige, oft ungenaue Zuschreibungen von Ursachen sind meist nicht zielführend, sie können nicht selten sogar zu ungerechtfertigten Schuldzuweisungen oder zu Stigmatisierungen führen.“

Nach heutigen Erkenntnissen ist noch nicht klar, ab welcher Menge Alkohol in der Schwangerschaft einem Ungeborenen schadet, eindeutige Risiken für Entwicklungsstörungen bestehen sehr wahrscheinlich bei Trinkexzessen, dem sogenannten „binge drinking“. Dazu wird noch weiter geforscht (eine ausführliche Diskussion der neuesten Ergebnisse finden interessierte Fachleute im August-Heft 2009 der wissenschaftlichen Zeitschrift „Addiction“ der britischen Society for the Study of Addiction). Deshalb gilt die Empfehlung an schwangere Frauen: „Verzichten Sie während der Schwangerschaft möglichst ganz auf Alkohol. Vermeiden Sie unbedingt den Konsum größerer Mengen auf einmal. Sonst können wichtige Entwicklungsschritte beeinträchtigt werden.“

Informationen zu den SPZs (mit alphabetischem Orts-Verzeichnis) finden sich auf dieser Webseite unter „Sozialpädiatrische Zentren stellen sich vor“. Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin eV. (DGSPJ, www.dgspj.de) findet sich auf der Eingangsseite ein nach Bundesländern geordnetes SPZ-Adressenverzeichnis.

Weitere Informationen zum Thema Alkohol und Schwangerschaft erhalten Sie unter www.bzga.de, www.dhs.de oder auf der Schweizerischen Webseite www.sfa-ispa.ch (dort als PDF die sehr gute Broschüre „Schwangerschaft und Alkohol. Informationen für werdende Mütter, Väter sowie Nahestehende“) und auch auf der Webseite www.fasd-beratung.de einer speziellen Beratungsstelle für alkoholgeschädigte Kinder.