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Wenn die Zunge stolpert - Stotternde Kinder sind oft benachteiligt

Stotternde Kinder sind in der Schule häufig benachteiligt, bemängelt Ruth Heap, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung
Stotterer-Selbsthilfe in Köln. «Sie bekommen schlechte Noten für ihre mündlichen Leistungen oder werden sogar manchmal ganz vom mündlichen Unterricht ausgesperrt.» Der Grund: «Lehrer wissen leider über das Stottern oft genauso wenig wie der Rest der Bevölkerung.» Die Stotterer-Selbsthilfe startet daher am 29. April von Köln aus zu einer Tour quer durch Deutschland, um Tipps für einen offenen und angemessenen Umgang im Klassenzimmer zu geben.

«Iiich wwwollte fragen, wiewie sind Ihre Öffnungszzzeiten?», Lirik (13), seit zwei Jahren in Köln in einer Stotter-Therapie, übt flüssiges Sprechen am Telefon. Der aufgeweckte Junge schlabbert die Silben noch etwas, spricht manchmal undeutlich. Sein Kumpel Alessandro atmet tief durch - «ich kkkanns ja jetzt mal versuchen» -, konzentriert sich und legt los. «Die denken doch, was für ein Idiot ist das», meint der 14-Jährige nach dem Telefonat. «Normalerweise stottere ich viel mehr als hier, besonders in der Schule, da hab ich auch nnnicht so viele Freunde, die lachen mich manchmal aus.»
«Wir müssen die Kinder auch vor Blamagen schützen. Denn es kann die Hölle sein, wenn sie vor der ganzen Klasse kein Wort mehr herausbekommen», sagt Ruth Heap, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Stotterer Selbsthilfe in Köln. Rund 5% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland stottern. Ein so genanntes frühkindliches Stottern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren taucht phasenweise sogar bei 80% aller Kinder auf. «Diese Sprechunflüssigkeit ist in den meisten Fällen normal, sie gehört zur Sprachentwicklung und verschwindet wieder», erklärt Heap.

«Eltern sollten sich selbst und ihre Kinder zunächst einmal nicht unter Druck setzen, sie sollten das Stottern einfach erlauben und ihr Kind trösten», rät die Diplom-Pädagogin. Mit Zurechtweisungen wie «sprich deutlicher» oder «konzentriere dich doch» schadeten Eltern ihrem Nachwuchs. Denn das wirkliche Problem sei weniger das Stottern selbst, sondern die Angst vor dem Stottern und den Reaktionen darauf. Manche dieser Kinder könnten völlig störungsfrei sprechen, wenn sie mit ihrer Puppe oder dem Haustier allein seien, betont Heap.

«Die Kinder möchten so sprechen wie die Erwachsenen, aber je mehr das misslingt, desto stärker setzt eine Verkrampfung und eine Angst vor Misserfolg ein.» Die Kleinen hätten «ganz feine Antennen». «Wenn sie merken, dass sich die Mutter sorgt oder die Großeltern ungeduldig werden, dann reagieren sie schon unsicher.» Manche hauen sich dann auf den Mund, werden wütend, weinen oder verweigern das Sprechen aus Frust oder Scham ganz.

Die Ursachen für das Stottern sind nicht geklärt. Vieles spricht dafür, dass die Veranlagung dazu erblich ist. Erwiesen ist, dass Stottern nicht mit der Intelligenz zusammenhängt. Auslöser können auch besondere Stress-Situationen sein, wie etwa die Geburt eines Geschwisterkindes oder der Tod der Oma. Halte die Störung länger an und verunsichere die Eltern, so sollten sie einen Therapeuten zu Rate ziehen.

«Je früher man beginnt, desto besser sind die Heilungschancen», erklärt die Kölner Sprachheilpädagogin Ute Frings. «Je älter das Kind ist, desto bewusster ist ihm seine Störung und desto mehr Angst hat es.» Frings bereitet Kinder und Jugendliche wie Lirik und Alessandro auf Herausforderungen des Alltags - etwa einen Einkauf im Supermarkt - vor. «In der Therapie haben die Kinder einen wichtigen Schonraum.» Je nach Ausprägung und Schwere des Stotterns dauere eine Therapie ein Jahr und auch länger. Besonderen Wert legt sie auf die Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe gibt Ratgeber heraus, bietet Elternseminare an und hilft bei der Auswahl der geeigneten Sprachtherapeuten, Tel: 0221-1391106
Internet: www.bvss.de