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Offener Brief des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zur NRW-Gesetzesinitiative zur Landarztquote

Am 5. Juni stellte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann den Gesetzentwurf der Landesregierung sowie weitere Eckpunkte zur Umsetzung der Landarztquote vor. Dr. Sebastian Bartels, Assistentensprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, hält die Landarztquote für nicht geeignet, um junge Ärztinnen und Ärzte die Niederlassung auf dem Land schmackhaft zu machen. Er wendet sich daher in einem offenen Brief an den Minister.

Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann,

es freut mich zu lesen, dass Sie sich der schon lange zunehmenden Probleme der medizinischen Unterversorgung in ländlichen Regionen angenommen haben und Verbesserungen anstreben. Aber bitte verfallen Sie nicht in blinden Aktionismus!

Der fehlende Nachwuchs und die hohe Abwanderungsquote von ~Ärzten in nicht versorgungsrelevante Bereiche ist auf allen Ebenen ein großes Problem. In der Grundversorgung, zu der neben den Hausärzten auch die Kinder- und Jugendärzte zählen, ist dies mit Blick auf die aktuelle Versorgungsituation und Altersstruktur natürlich besonders eklatant. Doch obwohl das Interesse an Studienplätzen für Humanmedizin seit 15 Jahren beachtlich groß ist ( mehr als vier Bewerber auf jeden Studienplatz) wurde ihre Anzahl in der Vergangenheit verringert statt erhöht. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Zahl von Studienabbrechern bzw. -wechslern relevant angestiegen ist. Reduzieren wir also nun die Gesamtzahl von künftigen Medizinstudenten um bis zu zehn Prozent im Sinne der Landarztquote ohne zusätzliche Studienplätze zu schaffen, führt dies unweigerlich zu vermehrten Engpässen in allen anderen medizinischen Bereichen. In anderen Worten: Sie betreiben mit dieser Verschiebetaktik lediglich ein Nullsummenspiel.

Das Abitur, da stimme ich Ihnen zu, ist kein Indikator zur Eignung des Arztberufes und dennoch nach wie vor leider das entscheidende Kriterium zur Auswahl der Bewerber. Eignungsspezifische Auswahlgespräche existieren nur in einem kleinen Umfang. Mit Ihrem Vorschlag, den Numerus Clausus durch die Quote zu umgehen, da auch Abiturienten mit der Note 3 noch gute Landärzte abgeben können, vermitteln Sie - womöglich ungewollt- den Eindruck, dass für die grundversorgende Medizin andere Standards gelten. Gute Schüler studieren Medizin mit allen Möglichkeiten für die Zukunft - befriedigende Schüler dürfen immerhin noch den Landarztpfad wählen. Da entsteht schnell ein falsches Bild. Also lieber die Auswahl aller Medizinstudienplätze reformieren und die Zahl der Studienplätze erhöhen!

Als Abiturient ist man heute etwa 18 bis 19 Jahre alt und auf dem Papier erwachsen. Und dennoch glauben Sie tatsächlich, dass man einem jungen Menschen ohne relevante Berufseinblicke in der Schullaufbahn eine so weitreichende Entscheidung wie die der Landarztlaufbahn aufbürden sollte? Das Medizinstudium dauert minimal sechs Jahre. Im Anschluss mindestens fünf Jahre Facharztweiterbildung. Läuft alles bestmöglich ohne große Verzögerung, dauert die Arztausbildung also inklusive Prüfungszeiten und Arbeitsplatzwechsel rund zwölf Jahren. Hieran schließt sich dann die Verpflichtung für zehn Jahre an. Somit verlangen Sie von heranreifenden Erwachsenen eine Weitsicht für die nächsten 22 Jahre! Nicht nur, dass man vor dem Beginn des Medizinstudiums dessen Vielfältigkeit und Möglichkeiten in aller Breite gar nicht überblicken kann oder während der Schulzeit seine speziellen beruflichen Begabungen womöglich noch gar nicht erkennen konnte, man kann sich zudem nicht annähernd vorstellen, wie einem die tatsächliche Arbeit als Arzt in Praxis, Krankenhaus, Labor u.v.m. liegt. Somit führt Ihr Vorschlag aus meinen Augen zu einer besonders hohen Unzufriedenheit der Studierenden und Ärzten und Ärztinnen in Weiterbildung mit steigender Abbruch-/ Wechselquote und wahrscheinlich vielen juristischen Streitigkeiten um die Vertragsstrafen.

Statt der Landarztquote sollten Sie die grundversorgende Medizin von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen grundlegend attraktiver gestalten. Förden Sie die eigentliche Arzttätigkeit! Helfen Sie diese zu entbürokratisieren und entlasten Sie die Ärzte und Ärztinnen von weiter ausufernden Verwaltungsaufgaben. Neben finanziellen Zuschüssen und anderen Anreizen für die Mediziner, sollten auch die Kommunen entsprechend unterstützt werden! Wenn Kindertagesstätten, Schulen, Gemeinschaftseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten u.a. fehlen oder nach und nach geschlossen werden müssen, sinkt auch die Bereitschaft junger Ärzte, ihren Familienmittelpunkt in diese Regionen zu verlegen.

Was wir also brauchen, ist ein ganzes Paket von Maßnahmen gegen den Ärztemangel auf dem Land. Die Landarztquote brauchen wir nicht!

Sebastian Bartels

BVKJ-Assistentensprecher

12. Juni 2018
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