Kinder- & Jugendärzte im Netz

Ihre Haus- und Fachärzte von der Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

Herausgeber:

Kinderarztpraxis Kreuztal - Dr. med. Simon Danckworth

Bewegung tut gut - Eltern und Kinder gemeinsam
Bewegung tut gut - Eltern und Kinder gemeinsam

 

Diese Seite ist vorrangig zu Ihrer Information bestimmt.

 

INFORMATION FÜR ELTERN UND BEZUGSPERSONEN ZUM HYPERKINETISCHEN - (HKS)/AUFMERKSAMKEITS-DEFIZIT-SYNDROM (ADS)


Unter Hyperaktivität versteht man eine körperliche Unruhe, die deutlich über die normale kindliche Bewegungsfreude hinausgeht. Die betroffenen Kinder sind meistens unfähig, auch nur wenige Minuten still zu sitzen. Sie sind ständig in Bewegung, steigen auf Tische und Bänke, hüpfen, krabbeln überall hin, fassen alles an und sind dadurch laufend in Gefahr, sich zu verletzen. Jeder Erwachsene, der mit diesen Kindern umgeht, befindet sich ständig in höchster Alarmbereitschaft. Er darf ein solches Kind nicht aus den Augen lassen, damit es sich und anderen keinen Schaden zufügt.


Es gibt 4 Gruppen von hyperaktiven Kindern:

1. Kinder mit einer minimalen Hirnfunktionsstörung. Auch deutlichere Hirnfunktionsstörungen mit Lernbehinderung oder geistiger Behinderung können zu einer Hyperaktivität führen.
2. Kinder, die organisch gesund sind, die aber irgendwann die Erfahrung gemacht haben, dass sie durch Hyperaktivität die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten. Haben sie dann auch noch das Gefühl, von ihren Eltern nicht mehr genügend geliebt zu werden, entwickeln sie als Ersatz für die verlorengegangene Liebe einer Hyperaktivität, die ihnen Macht verleiht und sie in den Mittelpunkt stellt.
3. Kinder mit Allergien bzw. Empfindlichkeitsreaktionen. Verschiedene Allergien bzw. Empfindlichkeiten z.B. gegen Weizen, Milch, Eier, Kakaoprodukte, Farb- und Konservierungsstoffe (E-Zusätze) können zu einer Hyperaktivität führen. Solchen Kindern kann geholfen werden, indem man das allergieauslösende Nahrungsmittel weglässt, allerdings ist es meist äußerst schwierig, das richtige Allergen oder die auslösende Substanz zu finden und entsprechende konsequente Diäten im Kindesalter durchzuführen. Phosphat spielt nachweislich keine Rolle als auslösende Ursache einer Hyperaktivität.
4. Zu einer weiteren, wohl auch der größten Gruppe (verschiedenen Untersuchungen zufolge 5-6 % der Bevölkerung), gehören Kinder, die man seit einigen Jahren als Kinder mit einer gestörten Aufmerksamkeit bezeichnet. Jungen sind dreimal häufiger betroffen als Mädchen. die gestörte Aufmerksamkeit stellt das immer nachweisbare Kernsymptom dar, weshalb die Fachbezeichnung ADS lautet, das bedeutet Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Viel besser ist dieses Krankheitsbild unter der Bezeichnung hyperkinetisches Syndrom (HKS) bekannt. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da ein ADS in vielen Fällen, besonders bei Mädchen, auch ohne vermehrte Unruhe auftreten kann. Die kombinierte Störung aus Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom und Hyperkinetischem Syndrom bezeichnet man als Aufmersamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

Die ersten 3 Formen bedürfen in aller Regel keiner medikamentösen Therapie.

Folgende neun Merkmale weisen auf die gestörte Aufmerksamkeit hin:

Das betroffene Kind …

1 kann sich schlecht auf Details konzentrieren, macht viele Flüchtigkeitsfehler
2 hat keine Ausdauer bei Aufgaben oder im Spiel
3 scheint oft nicht zuzuhören
4 bleibt nicht bei der Sache, führt oft nichts zu Ende, ist sprunghaft
5 hat Probleme, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
6 vermeidet häufig, zeigt Abneigung gegen Leistungsanforderungen
7 verlegt, verliert häufig Gegenstände
8 ist leicht ablenkbar
9 vergisst schnell


Voraussetzung zur Diagnose ist, dass 6 von den Merkmalen 1 bis 9 in den letzten sechs Monaten beständig und in erheblichem Ausmaß beobachtet wurden.


Es folgen jetzt die Verhaltensmerkmale nach DSM-IV, die für erhöhte Impulsivität und Hyperaktivität stehen:

Das betroffene Kind ...

10 kann sich nicht ruhig verhalten, ist ständig in Bewegung
11 kann nicht sitzen bleiben, steht häufig auf
12 verbreitet Unruhe, rennt oder klettert häufig herum
13 hat Probleme, in der Freizeit ruhig zu spielen
14 verhält sich wie getrieben, rastlos
15 hat vermehrten Rededrang, redet häufig dazwischen
16 redet los, ohne zu überlegen, platzt mit den Antworten heraus
17 kann schlecht warten, bis es an der Reihe ist
18 unterbricht, stört häufig andere Kinder, schubst oder boxt

Bis zu 6 der Merkmale 1 bis 9 und/oder 10 bis 18 sollten in den letzten sechs Monaten beständig und in erheblichem Ausmaß beobachtet worden sein,

· die meisten auf den Patienten zutreffenden Merkmale sollten bereits vor dem Alter von sieben Jahren aufgetreten sein,
· und die Merkmale sollten sich in mehreren Bereichen (Schule, Spiel, Familie …) gezeigt haben.


Hinweisend auf das Vorliegen dieser Leitsymptome sind Verhaltensauffälligkeiten in jeweils altersvariabler Ausprägung:


· Säuglingsalter: unerklärliche langdauernde Schreiphasen, motorische Unruhe, Ess- und Schlafprobleme, Ablehnung von Körperkontakt, Misslaunigkeit; anstrengend für die Eltern
· Kleinkindalter (2 - 6 Jahre): plan- und rastlose Aktivität, schnelle, häufige und unvorhersagbare Handlungswechsel, geringe Ausdauer bei Einzel- und Gruppenspiel, ausgeprägte Trotzreaktionen, unberechenbares Sozialverhalten, Teilleistungsschwächen bezüglich auditiver und visueller Wahrnehmung, Fein- und Grobmotorik; vermehrte Unfallgefährdung; auffallend früher Spracherwerb oder auch verzögerte Sprachentwicklung; keine beständigen Freundschaften, Kind und Eltern isoliert
· Grundschulalter (6 - 10 Jahre): mangelnde Regelakzeptanz in Familie, in Spielgruppe und Klassengemeinschaft, Stören im Unterricht, wenig Ausdauer, starke Ablenkbarkeit, emotionale Instabilität, geringe Frustrationstoleranz, Wutanfälle, aggressives Verhalten, schlechte Schrift, chaotisches Ordnungsverhalten; andauerndes Reden, Geräuscheproduktion, überhastetes Sprechen (Poltern); unpassende Mimik, Gestik und Körpersprache; Ungeschicklichkeit, häufige Unfälle; Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechenschwäche, Lern- und Leistungsprobleme mit Klassenwiederholungen, Umschulungen, keine dauerhaften sozialen Bindungen, Außenseitertum; niedriges Selbstbewusstsein
· Adoleszenz (11 - 18 Jahre): Unaufmerksamkeit, Null-Bock-Mentalität, Leistungsverweigerung, oppositionell-aggressives Verhalten, stark vermindertes Selbstwertgefühl, Ängste, Depressionen; Kontakte zu sozialen Randgruppen, häufiger Verkehrsunfälle, Neigung zu Delinquenz, Alkohol, Drogen.


Häufigkeit und Folgerisiken der Erkrankung ohne Behandlung:


Das ADHS ist mit einer Häufigkeit von ca. 5-6% eine sehr häufige Erkrankung. Unbehandelt erreichen die Betroffenen oft nicht eine Berufstätigkeit, die ihren geistigen Fähigkeiten entspricht, haben Misserfolg bei Aufbau und Erhaltung sozialer Beziehungen. Ein Drittel der von der kombinierten Störung betroffenen Patienten ist von Jugenddelinquenz und/oder Drogenkonsum bedroht. Für Unfälle besteht für alle Gruppen ein sechsfach erhöhtes Risiko, unter allen Patienten mit Schädelhirnverletzungen sind Patienten mit ADHS insbesondere unter den selbstverschuldeten und schweren Schädelhirnverletzungen überrepräsentiert. Unbehandelt persistiert diese Erkrankung zu ca. 70% im Erwachsenenalter mit Folgerisiken für z. B. psychische Erkrankungen, Fibromyalgiesyndrom, Herzinfarkt, Depression, Angststörungen, Substanzmissbrauch und Abhängigkeitserkrankungen (Nikotin, Alkohol, Opiate) und andere sekundäre psychiatrische Störungen. 


Ich beschäftige mich mit diesen Krankheitsbildern seit vielen Jahren und behandel auch seit dieser Zeit Kinder und Jugendliche entsprechend den Richtlinien medikamentös und nicht-medikamentös (multimodaler Therapieansatz).

Bei dieser Erkrankung, die zu den häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen gehört, ist nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch die Konzentration, die Wahrnehmung, die Informationsaufnahme, deren Verarbeitung und Wiedergabe und das Gedächtnis gestört.

Viele Kinder fallen dadurch auf, dass sie ständig zappeln, nur schwer sitzen bleiben können, sich durch jede Kleinigkeit ablenken lassen. Bei Spielen können sie kaum erwarten, bis sie drankommen, platzen oft mit der Antwort heraus, bevor die Frage ganz gestellt wurde, und haben erhebliche Schwierigkeiten, Aufträge zu Ende zu bringen. Bei den verschiedensten Tätigkeiten und auch bei Spielen haben sie größte Mühe auch nur für kürzeste Zeit konzentriert zu bleiben. Sie wechseln häufig von einer Betätigung oder einem Spiel zum anderen. Ihr Spiel ist insgesamt unruhig und sie reden viel, wobei sie anderen nicht oder nur sehr schlecht zuhören können. Sie unterbrechen andere bei Aufgaben und im Spiel und platzen oft direkt in deren Aktivitäten hinein, wodurch sie diese auch stören und oft auch zerstören. Sie körnen Wesentliches vom Unwesentlichen nicht unterscheiden. Oft werden sie als ungezogen, frech und böse angesehen. Sie verlieren häufig Gegenstände, die sie brauchen, wie Bücher, Spielzeug und Bleistifte und sich durch ihre Aufmerksamkeitsstörung ständig gefährdet, da sie beispielsweise direkt auf die Straße laufen, ohne Rücksicht auf den bestehenden Verkehr. Erstaunlicherweise können sich dies Kinder aber bei Dingen, die sie besonders interessieren, auch einmal länger konzentrieren, insbesondere bei handwerklichen Tätigkeiten, beim Fernsehen, bei Computerspielen oder auch beim Spiel mit Tieren.

Für die Eltern stellen solche Kinder nicht nur durch ihre Hyperaktivität, sondern auch durch die Reaktionen der Umwelt eine enorme nervliche Belastung dar. Freunde, Lehrer, Kindergärtnerinnen und Verwandte geben den Eltern gute Ratschläge. Sie raten ihnen, hart durchzugreifen und dem Kind "mal ordentlich den Hintern zu versohlen". Sie werfen den Eltern oft Versagen in der Erziehung vor. Ein häufig zu hörender Spruch lautet: "Das Kind könnte, wenn es nur wollte". Den Eltern bleibt dann schließlich kein anderer Ausweg als die Kinder ständig zu tadeln, zu ermahnen und zu bestrafen. In der Familie vergiften gegenseitige Schuldzuweisungen und Vorwürfe die ohnehin angespannte Stimmung.

Nach neuesten Erkenntnissen ist diese Krankheit durch eine genetische Veränderung im Erbmaterial bedingt. Seit 1995 ist die auf dem Chromosom 5 lokalisierte Synthese eines vermehrt aktiven Dopamintransportproteins (DAT1) in mehreren Studien wieder bestätigt worden. Diese genetische Veränderung fand sich in Familien, in denen in jeder Generation Mitglieder von der Störung betroffen waren. 1998 konnte auch der Exzess des DAT1 bei betroffenen Patienten in den Strukturen des Aufmerksamkeitssteuerungssystems des Gehirns (Frontalkortex und Striatum) sowie die vorübergehende Normalisierung nach Gabe Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®, Equasym®, Concerta®) nachgewiesen werden. Es kommt zu einer Störung der Hirnfunktion, weil die Schaltstellen zwischen zwei Nervenzellen zu wenig körpereigene Botenstoffe (Dopamin) produzieren. Botenstoffe sind notwendig, um die Information von einer Nervenzelle zur anderen weiterzugeben. Sind diese Botenstoffe nicht in ausreichender Menge vorhanden, können Informationen nicht oder nur unvollständig weitergegeben werden. So führt eine Stresssituation, bei der sehr viele Botenstoffe produziert werden müssten, bei einem Kind mit ADHS zu einer vollständigen Blockade der Information und damit zu einer totalen Blockade des Kindes, das völlig abwegig reagiert.

Die mangelnde Verfügbarkeit von Botenstoffen hat bei den betroffenen Patienten eine Beeinträchtigung der Wachheit des Gehirns zur Folge. Sie reagieren so , als seien sie völlig übermüdet. Es kommt zu Problemen in der Bewegungssteuerung und im Bewegungsablauf, aber auch in der gefühlsmäßigen Beziehung zu anderen Menschen.

Die kurze Aufmerksamkeitsspanne und die verminderte Konzentration führen dazu, dass diese Kinder leicht ablenkbar sind und nicht bei der Sache bleiben können. Diese Ablenkbarkeit ist besonders in der Gruppe zu beobachten, weniger bei Einzelbeschäftigung. In der Einzelsituation mit direktem Kontakt können diese Kinder einigermaßen zur Ruhe kommen und auch mit gutem Erfolg arbeiten. Dies gilt auch für das Spiel , wenn Eltern oder Geschwister sich direkt mit ihnen beschäftigen. In der Gruppe ändert sich jedoch ihr Verhalten dramatisch. Sie sind ablenkbar, unaufmerksam, führen nichts zu Ende, haben keine Ausdauer, handeln überstürzt und ohne Überlegung. Sie hören nicht zu und man hat das Gefühl, man rede durch sie hindurch. Ihre zu kurze Aufmerksamkeit und große Ablenkbarkeit lässt den komplizierten Vorgang der Gedächtnisbildung nicht zu, so dass sie rasch vergessen. Dadurch wird auch die Lernfähigkeit trotz normaler Intelligenz eingeschränkt, denn ohne Gedächtnis wird lernen unmöglich.


Schon in der Schwangerschaft kann sich die Hyperaktivität bemerkbar machen. Mütter solcher Kinder berichten immer wieder, dass die Kindsbewegungen besonders heftig und intensiv gewesen seien. Etwa 60 Prozent der Kinder zeigen bereits im Säuglingsalter eine extreme Unruhe mit häufigem Schreien, die sich im Kleinkindalter eher noch steigert. Sie haben Einschlafstörungen und wachen bei dem kleinsten Geräusch wieder auf. Sie weinen vermehrt. Ihre Sauberkeitserziehung und die Sprachentwicklung sind häufig verzögert. Sie neigen zu heftigen Wutausbrüchen bei den geringsten Anlässen.

Um so erstaunlicher ist es, dass diese Kinder häufig erst den Spezialisten vorgestellt werden, wenn es zu Problemen mit der Außenwelt gekommen ist, wenn Kindergarten oder Schule die Eltern darüber informieren, dass sie mit den Kind nicht mehr zurechtkommen. Leider werden viele Kinder erst im 4. Schuljahr vorgestellt, wenn es um die Entscheidung für eine weiterführende Schule geht.

Solche Kinder sind nicht nur in ihrem Verhalten auffällig sondern auch in ihren Leistungen. An erster Stelle stehen Rechtschreib- und Leseprobleme, in selteneren Fällen ist auch das Rechnen betroffen. Häufig haben sie auch ein äußerst schlechtes Schriftbild (Zeilen und Linien werden nicht eingehalten, die Schrift ist häufig unleserlich). Im Unterricht stören sie häufig durch ihre Unruhe, die dazu führt, dass sie durch das Klassenzimmer laufen und hüpfen, sich auf oder unter die Bank legen, husten, gähnen, rülpsen, pfeifen, quietschen, Stühle umwerfen, den Mitschülern die Kleidung anmalen oder sogar mit Bleistiften oder anderen Gegenständen nach ihnen stechen, kneifen, schubsen oder auch boxen. Oft wissen diese Kinder hinterher gar nicht, was sie getan haben.

Ihr schlechtes Hörgedächtnis lässt sie die Anweisungen der Lehrer rasch vergessen, wodurch diese sich noch mehr provoziert fühlen. Ferner ärgern sie die Lehrer noch zusätzlich dadurch, dass sie ihr Arbeitsmaterial vergessen haben oder es zerbrochen oder funktionsunfähig ist. Während die Leistungen in den ersten beiden Schuljahren noch einigermaßen zufriedenstellend sind, werden sie mit fortschreitendem Alter immer schlechter, da immer mehr Anforderungen an die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis gestellt werden. Die Lehrer wundern sich häufig über die gute Fähigkeit, sich auszudrücken und die schlechten schriftlichen Arbeiten. Verschlechtert wird ihre schulische und familiäre Situation noch dadurch, dass sie von allen abgelehnt werden. Niemand mag sie, niemand möchte mit ihnen spielen, sie werden zunehmend isoliert und haben kaum Freunde. Um die Probleme in der Schule aufzufangen, versuchen die Eltern zu Hause mit den Kindern zu üben und die Hausaufgaben zu überwachen. Dabei kommt es oft zu heftigsten Auseinandersetzungen, da die Kinder hier ebenso reagieren wie in der Schule.

Die Aufmerksamkeit der Kinder kann durch starke Reize kurzfristig aufrechterhalten werden, wahrscheinlich durch die gesteigerte Produktion von Botenstoffen bei erhöhten Reizpotential. Deshalb suchen diese Kinder nach immer neuen, wechselnden starken Reizen, was ihre Hyperaktivität noch steigert. Sie tun manchmal Dinge, ohne zu wissen warum, einfach nur, um sich einen neuen Reiz zu verschaffen. Sie handeln völlig überstürzt, ohne zu überlegen, ohne zu planen, ohne nachzudenken, ohne hinzuschauen. Die vermehrte Erregbarkeit und die starke Irritierbarkeit führen dazu, dass diese Kinder Versagenszustände nur schlecht aushalten können. Wenn etwas nicht so läuft, wie sie es wollen, werden sie ärgerlich, brausen auf oder geben rasch auf. Dies ist ganz besonders bei Gesellschaftsspielen zu beobachten. Sie unterliegen starken Stimmungsschwankungen, neigen häufig auch zu Wutausbrüchen und aggressiven Handlungen. Sie empfinden Kritik als äußerst kränkend, teilen sie selbst hingegen gerne aus. Sie sind durchaus in der Lage, das Verhalten von anderen zu erkennen und zu beurteilen, können aber ihr eigenes auffälliges Verhalten nicht sehen. Sie erleben die ablehnende Haltung ihrer Umgebung, wodurch ihr Selbstwertgefühl leidet, sie sich nichts mehr zutrauen und sie eine depressive Grundstimmung entwickeln, ohne zu erkennen, dass sie selbst die Ursache für die feindliche Umwelt darstellen.

Freunde finden diese Kinder durch ihr unkameradschaftliches Verhalten nicht leicht. Sie kritisieren sie, rempeln sie an, stellen sie bloß und wundern sich, warum der andere nicht ihr Freund sein will. Sie neigen leicht zu Streitereien, Raufereien und aggressiven Handlung und spielen oft den Klassenclown, wodurch sie einerseits ihren vermehrten Bewegungsdrang ausleben können, andererseits Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich in den Mittelpunkt stellen können, nach dem schon bekannten Motto: Wenn ihr mich schon nicht mögt, dann sollt ihr mich wenigstens beachten. Sie haben eine gestörte Körperwahrnehmung, weswegen sie auch nicht das Bedürfnis haben, diesen Körper zu pflegen. Dies gilt auch für ihr Zimmer und ihre Schulsachen, die gleichermaßen chaotisch aussehen. Sie wirken kindlicher und unreifer als normale Kinder im gleichen Alter. Die innere Unruhe ist für diese Kinder besonders quälend: "Wenn du jetzt von mir verlangst, dass ich stillsitzen soll, dann platze ich."


Therapiemöglichkeiten:

Gespräch mit den Eltern, älteren Kindern/Jugendlichen und Erziehern/Lehrern über das Krankheitsbild, dessen Pathogenese, Behandlungsmöglichkeiten und Verlauf. Damit sollten auch von den Eltern Schuldgefühle und Vorwürfe, "in der Erziehung versagt zu haben", und von den Kindern der Vorwurf, "nur böse zu sein", genommen werden.

Eingehendes (und im Verlauf öfter zu wiederholendes) Gespräch über Maßnahmen im gegenseitigen Umgang, die die ADHS-spezifischen Besonderheiten des Kindes berücksichtigen. Verlässliche Strukturierung des Tagesablaufs mit geregelter Zeitabfolge für Mahlzeiten, Arbeit, Spiel/Freizeitaktivitäten. Im Umgang mit dem Kind: Regeln für Abläufe und Pflichten vereinbaren, konsequent Grenzen setzen, Absprachen bzw. Abkommen (Punktesystem) über Belohnungen und Strafen, "Positives bestärken, Negatives (soweit nicht wesentlich) weniger beachten", Zuneigung spontan zeigen, Freiräume für den/die Hauptbelastete(n) in der Familie zur Erholung sicherstellen. Empfehlung für Freizeit: Fernsehkonsum dosieren, Sport (Judo o.ä., Fußball und andere Mannschaftssportarten, Reiten), gut strukturierte Jugendgruppe (z.B. Pfadfinder).

Behandlung von Teilleistungsschwächen, anderen Komorbiditäten, erheblichen intrafamiliären Problemen (soweit unter medikamentöser Therapie überhaupt noch nötig und abhängig von den regional vorhandenen Möglichkeiten). 

· Lese-Rechtschreib-, Rechenschwäche: entsprechende pädagogische Therapien.

· Erhebliche intrafamiliäre Probleme:
Familien-/Erziehungsberatung, Elterntraining, Psychotherapie

· Oppositionell-aggressives Verhalten, Angststörungen, Depressionen:
Psychotherapie, Kognitive Therapie von Schulkindern/Jugendlichen (Selbstinstruktionstraining, Selbstmanagement), Förderkindergarten, Förderschule (kleine Gruppen mit der Möglichkeit intensiverer pädagogischer Förderung, teils auch Übungsbehandlungen der Teilleistungsschwächen dort möglich)


Hinweis auf Selbsthilfegruppen (s.auch www.ag-adhs.de):

Diese Gruppen sind für Eltern und Selbstbetroffene insbesondere deswegen eine große Hilfe, weil sie dort mit ebenfalls Betroffenen frei über ihre Probleme sprechen können.


Medikamentöse Therapie

Indikation

Bei deutlicher Beeinträchtigung im Leistungs- und psychosozialen Bereich, Leidensdruck bei Kindern/Jugendlichen und Eltern und somit Gefahr für die weitere Entwicklung des Kindes ist die medikamentöse Therapie indiziert. Spontanremissionen gibt es selten. Ohne medikamentöse Behandlung verschlechtert sich die Situation meist zunehmend. Auch für viele Vorschulkinder ergibt sich bereits ein Behandlungsbedarf (nach DSM-IV treten die Symptome bereits vor dem Alter von 7 Jahren in Erscheinung). Hier haben Frühförderung, heilpädagogische Maßnahmen und Ergotherapie Vorrang!!!


Medikamente 

Über den Einsatz der zahlreichen mittlerweile zur Verfügung stehenden Medikamente entscheiden die Fachärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin nach entsprechender Diagnostik und Aufklärung mit Ihnen.  



 

 

🔍

Aktuelle Meldungen