Kinderarztpraxis Varel - Dr. med. Rupert L Dernick
Soll ich mein Kind jetzt gegen Corona impfen lassen?
Hintergrundinfos zur Coronaimpfungsempfehlung Mai 2022:Anmerkung: die Praxis führt zur Zeit keine Coronaimpfungen mehr durch.
Wir konzentrieren uns derzeit auf die Grippeimpfung für alle Kinder ab 6 Monaten mit Risikofaktoren, V.a. mit Asthma /"rezidivierender obstruktiver Bronchitis".
Trotz der meist milden Verläufe befürworte ich eine Impfung auch für Kinder gemäß StiKo, um den Kindern die eine oder andere Quarantäne zu ersparen "Tausche Impfung gegen Quarantäne". Lesen Sie mehr...
Warum sollen gesunde Kinder 5-11 Jahre jetzt einmal geimpft werden, auch wenn Sie schon erkrankt waren?
Die Stiko geht davon aus, dass es mehrere Kontakte in einem größeren zeitlichen Abstand (3 Monate) zum Coronavirus braucht, um eine dauerhafte Immunität aufzubauen. Die letzten Monate haben ja gezeigt, dass die Schutzraten mit der Grundimmunisierung (2 Impfungen) gegen die Omikron-Variante mehr als bescheiden war und viele waren frustriert, wenn sie trotz Impfung erkrankt waren. Doch wenn ihr Kind gerade Omikron hatte, obwohl es geimpft war, hat es jetzt einen sehr guten Schutz, vermutlich auch gegen künftige Varianten. Das neue Zauberwort gegen Corona heißt „hybride Immunität“. Die Kombination von Impfung und Infektion macht besonders hohe Antikörperspiegel und vor allem die Antikörper auf der Schleimhaut steigen an, die das Virus neutralisieren, BEVOR es in den Körper eindringen kann. Außerdem sin bei Erwachsenen die Raten von Long-Covid halbiert, wenn die Personen vor der Infektion geimpft waren und die Experten gehen davon aus, dass das bei Kindern genauso ist.
Eine Impfung jetzt für gesunde Kinder bedeutet einen Start in die Immunisierung. Der Körper hat über die Sommermonate Zeit, eine optimale Immunantwort aufzubauen und mit weiteren Impfungen im Herbst (bei dem erwarteten Anstieg der Zahlen) einen solideren Impfschutz aufzubauen. Wer dazu schon Corona hatte, oder wer sich (auf Wunsch von Eltern und Kind) als bisher nicht Erkrankter jetzt schon zweimal impfen lässt, hat gute Chancen, im Herbst mit der dritten Impfung einen belastbaren Impfschutz zu haben.
Ich empfehle bisher nicht erkrankten, gesunden Kindern zwei Impfungen mit einem Impfabstand von etwas mehr als die 3 Wochen Minimum. Bei gesunden die erkrankt waren sollten 3 Monate Abstand eingehalten werden.
Warum sollten Kinder 5-11 überhaupt geimpft werden? Müssen die Kinder nun doch geimpft werden, weil die Erwachsenenimpfraten unzureichend sind?
Kinder haben ein Recht auf Teilhabe, also auf Schul- und Kita-Besuch. Die Stiko und die Kinderärzte wenden sich vehement gegen alle Versuche, den Schul- oder Kitabesuch vom Impfstatus abhängig zu machen. Auch die neue Bundesregierung hat jetzt endlich beschlossen, dass Schulschließungen der allerletzte Schritt in der Bekämpfung der Pandemie sein sollen. Dennoch ist bei den gegenwärtigen Impfraten zu erwarten, dass Unterricht ausfällt oder ganze Kitagruppen zu Hause bleiben müssen, weil einfach fast alle einschließlich des pädagogischen Personals infiziert sind. Es gibt inzwischen viele Untersuchungen, die die negativen psychischen und körperlichen Folgen von Quarantäne und Schulschließungen belegen. Hierzu habe ich gerade einen sehr nachdenklich machenden Vortrag von Frau Dr. Thyen gehört, viele Kinder werden die Folgen der Lockdowns nicht „aufholen“ können, wir werden noch über Jahrzehnte mit den Folgen zu tun haben, auch ich selbst habe schon viele Kinder kennengelernt, die durch die Coronapandemie den Anschluss verpasst haben. Hier gilt. Je länger die Zeiten ohne Schule und je höher die individuellen Risikofaktoren (z.B. schon vorbsetehnde Lern- und Konzentrationsstörungen und wenig Unterstützungsmöglichkeiten in der Familie), desto größer der Schaden. Ausfallzeiten sollten daher minimiert werden. Das gilt nicht nur für die nachgewiesenen Coronainfektionen, sondern auch für die für mich zum Teil übertrieben wirkenden Maßnahmen mancher Kitas und Grundschulen, auch gesund wirkende Kinder mit (gelbem oder klarem, je nach Einrichtung) Schnupfen für ein paar Tage nach Hause zu schicken – das ist in der derzeitigen Situation aus kinderärztlicher Sicht ungünstig.
Warum sollen alle Jugendlichen dreimal geimpft werden?
Die Empfehlung für Jugendliche entsprechen den Empfehlungen für junge Erwachsene, da sich Krankheits- und Impfrisiko nicht wesentlich voneinander unterscheiden.
Folgende Gründe sprechen aus meiner Sicht FÜR eine Impfung aller Kinder:
- Die Folgen von Quarantäne und fehlender Teilhabe auf Gesundheit und (lebenslange) Bildung, psychische Erkrankungen und Schulabbrüchen sind aus der heutigen Sicht sehr ernst zu nehmen.
- Die Impfung ist sehr gut verträglich. Die Herzmuskelentzündung nach der Impfung kommt im Alter 5-11 Jahre fast nicht vor und ist auch bei Jungen im Alter 12-17 selten, sie tritt fast nur nach der zweiten Impfung auf (ein größerer Impfabstand scheint hier eher günstig) und ist in der Regel selbstheilend.
- Die Raten längerer Beeinträchtigung „Long-Covid“ sind (bei Erwachsenen) nach Impfung nur halb so hoch wie ohne Impfung.
- Die Coronapandemie ist noch nicht vorbei, nach der Welle ist vor der Welle, aber es gibt Hoffnung darauf, dass unser Immunsystem nach einer „hybriden Immunisierung“ durch Impfung UND Erkrankung uns längerfristig auch gegen neue Varianten schützen kann.
- Ein größerer Zeitabstand zwischen den Impfungen und Infektionen scheint günstig für die Ausbildung einer belastbaren Immunität zu sein – daher macht es Sinn, die bisher nicht vollständig geimpften Kinder im Sommer in der Zeit niedriger Erkrankungsraten zu impfen.
"Kinder brauchen Sicherheit und soziale Integration, um eine Krise zu bewältigen" - das war die Botschaft von Dr. Ute Thyen, Leiterin des SPZ in Lübeck, die damit ihre lebenslange Erfahrung in der Entwicklungspädiatrie zusammenfasst. Ich kenne Dr. Thyen von zahlreichen Fachpublikationen zur Kinderentwicklung und habe gerade in München Ihren beeindruckenden Vortrag "Corona und die Folgen für die Kinder" gehört. Die Stellungnahme des ExpertInnenrats der Bundesregierung fasst sie so zusammen:
7. Stellungnahme des ExpertInnenrates der Bundesregierung zu COVID-19 vom 17.02.2022
Zur Notwendigkeit einer prioritären Berücksichtigung des Kindeswohls in der Pandemie
Nachzulesen: https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/corona-expertinnenrat-der-bundesregierung
Chronische Erkrankungen, bei denen die StiKo eine vollständige Coronaimpfung für Kinder empfiehlt*
*gerne beraten wir Sie, wenn ihr Kind (auch) an Corona erkrankt war, zu welchem Zeitpunkt eine erneute Impfung sinnvoll ist.
▶Adipositas (> 97. Perzentile des BMI - den BMI können Sie im nächsten Absatz berechnen)
▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Immunsuppression
▶ Angeborene zyanotische Herzfehler (O2-Ruhe- sättigung < 80 %) und Einkammerherzen nach Fontan-Operation
▶ Chronische Lungenerkrankungen mit einer an- haltenden Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile, definiert als z-Score- Wert < –1,64 für die forcierte Einsekundenkapa- zität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC).
▶ Schweres oder unkontrolliertes Asthma bronchiale
▶ Chronische Nierenerkrankungen
▶ Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen
▶ Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit HbA1c-Wert > 9,0 %
▶ Schwere Herzinsuffizienz
▶ Schwere pulmonale Hypertonie
▶ Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung
▶ Trisomie 21
▶ Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen