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4-jähriges Mädchen bekommt Schlaganfall nach Windpockenerkrankung

In Folge einer Windpockenerkrankung hat ein 4-jähriges Mädchen einen schweren Schlaganfall erlitten. Etwa 10% aller Schlaganfälle im Kindesalter lassen sich auf eine vorangegangene Windpockenerkrankung zurückführen. Zu diesem Ergebnis kommt die Universitäts-Kinderklinik in Münster, die seit 1996 bundesweite Daten zu mehr als 700 Hirninfarkten im Kleinkindesalter erfasst hat...

Ein 4-jähriges Mädchen aus Hamburg hat in Folge einer Windpockenerkrankung einen schweren Schlaganfall erlitten. Das Kind hatte sich kurz vor Weihnachten 2004 im Kindergarten mit Windpocken (Varizellen) angesteckt – an Ostern 2005 ereignete sich der Schlaganfall mit einer linksseitigen Lähmung. „Paulines Windpocken verliefen zunächst völlig harmlos. Sie hatte nur einen schwachen Ausschlag, der wenige Tage nach Weihnachten abgeklungen war. An Ostern 2005 besuchten wir Paulines Großeltern in Oldenburg. Sie bekam plötzlich hohes Fieber und wirkte sehr abwesend. Kurze Zeit später bemerkte ich, dass sie ihr linkes Bein hinter sich herzog und der linke Arm ganz schlaff herunterhing. Sie konnte den Mund nicht mehr richtig schließen – wir sind sofort in die Klinik. Dort hat sich ihr Zustand noch weiter verschlechtert. Nach langwierigen Untersuchungen stand die Diagnose fest: Pauline hatte einen Schlaganfall - ausgelöst durch Windpockenviren, die in das Gehirn eingedrungen waren. Wir waren geschockt“, berichtet Annemarie B., die 37-jährige Mutter von Pauline. 10 Tage lag das Mädchen in der Kinderklinik in Oldenburg. Danach begann die Rehabilitation. „Als Krankengymnastin kenne ich viele erwachsene Schlaganfallpatienten und weiß, dass die Schädigungen oft unwiderruflich sind. Paulines Zustand hat sich inzwischen verbessert, aber niemand kann vorhersagen, ob sie bleibende Schäden haben wird, die z.B. später zu Epilepsien führen können“, so Annemarie B.

Varizellen häufig Ursache für Schlaganfälle im Kindesalter
Nach Angaben der Universitäts-Kinderklinik in Münster, die seit 1996 bundesweite Daten zu mehr als 700 Hirninfarkten im Kleinkindesalter erfasst, lassen sich etwa 10% aller Schlaganfälle im Kindesalter auf eine vorangegangene Windpockenerkrankung zurückführen. „Noch Wochen und Monate nach einer Varizellenerkrankung kann sich als Komplikation ein Schlaganfall entwickeln. Man geht davon aus, dass die Windpockenviren zu einer Entzündung der Gefäßwände, speziell der Hirnarterien führen können – sie verengen sich und es kommt zum Infarkt. Eine Komplikation der Windpockenerkrankung, die unterschätzt wird. Das liegt wohl daran, dass wir in den Kliniken - im Gegensatz zu den niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten - diese schweren Verläufe nach Windpocken sehr viel häufiger sehen“, so Dr. Ronald Sträter, Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik in Münster.
Eine Windpockenerkrankung bei Kindern beginnt mit Abgeschlagenheit und leichtem Fieber bis zu 39°C. Das typische Krankheitszeichen, ein unangenehm juckender Hautausschlag (Exanthem), tritt meist gut 14 Tage nach der Ansteckung auf. Rund ein bis zwei Wochen später heilen die Bläschen meist von allein unter Krustenbildung ab. In seltenen Fällen sind allerdings auch schwere und lebensbedrohliche Komplikationen wie eine Lungenentzündung, schwere Hautinfektionen, aber Hirnhaut- bzw. Gehirnentzündungen möglich. 90% aller Komplikationen treten bei zuvor völlig gesunden Kindern auf. Windpocken werden durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen und sind hoch ansteckend – und das auch schon zwei Tage bevor der typische Hautausschlag überhaupt sichtbar wird. In Deutschland kommt es jährlich zu schätzungsweise 750.000 Erkrankungen, die aufgrund der leichten Übertragbarkeit und des hohen Infektionsrisikos meist in Kindertagesstätten und Schulen auftreten.

Impfung bietet Schutz
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt seit Sommer 2004 die Impfung gegen Windpocken für alle Kinder zwischen dem 11. Lebensmonat und dem vollendeten 2. Lebensjahr. Außerdem sollen bislang ungeimpfte Kinder, die noch keine Windpocken durchgemacht haben, spätestens zwischen dem 9. und 17. Lebensjahr eine Impfung gegen Varizellen erhalten. Allerdings wird diese Impfung noch nicht von allen Krankenkassen erstattet. „Es kann nicht sein, dass manche Kassen diese Impfung bezahlen und andere nicht. Das ist für Ärzte, Eltern und Kinder eine untragbare Situation. Wir fordern alle Kassen bundesweit auf, dem Beispiel der Barmer Ersatzkasse, vieler Betriebskrankenkassen (BKK´s) und der Bundesknappschaft zu folgen und die Impfung gemäß der STIKO-Empfehlung zu erstatten. Die Impfung ist sehr gut verträglich und bietet sicheren Schutz vor Windpocken. Wenn es uns gelingt, die Kinder vor dem Eintritt in eine Gemeinschaftseinrichtung gegen Windpocken zu impfen, dann gehören Kindergärten und Kindertagessstätten, die aufgrund eines Varizellenausbruchs schließen müssen, bald der Vergangenheit an. Und auch so schlimme Verläufe wie der Fall von Pauline müssen zukünftig verhindert werden“, fordert Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

Informationen zum „Team Schlaganfall und Kinder“ an der Universitäts-Kinderklinik Münster gibt es hier.