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Herausgeber:

Mechthild Struß



Schulzeit für Einstein junior

Hoch begabte Kinder brauchen besondere Förderung. Geistiges Kraftfutter liefern ihnen besondere Privatschulen (Christina Petrick-Löhr)

Schule wird nie meine Lieblingsbeschäftigung sein, aber hier kann man es aushalten", lautet das lapidare Urteil des 15-jährigen Frederik über seine Schule. Typische Töne eines ganz gewöhnlichen Teenagers? Wohl kaum - Frederik ist ein hoch begabter Jugendlicher, seine Schule, die Christophorusschule in Königswinter, hat sich die Förderung hochintelligenter Schüler auf die Fahnen geschrieben. Als hoch begabt gelten rund zwei Prozent der Kinder und Jugendlichen, nach einer gängigen Definition entspricht dies einem Intelligenzquotienten von 130 und mehr. Wurde die Förderung Hochbegabter noch in den 80er-Jahren als politisch unkorrekte Elitenförderung tabuisiert, genießt sie heute das Wohlwollen von Politikern, Pädagogen und Psychologen. In etlichen Bundesländern gibt es inzwischen Schulen, die sich um die Förderung hoch begabter Kinder bemühen. Nicht nur öffentliche, sondern gerade auch private Schulen bemühen sich um Konzepte, die dem enormen Potenzial solcher Kinder gerecht werden.


Vorreiter auf dem Gebiet der Begabtenförderung ist das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland (CJD), das sich schon seit mehr als 20 Jahren in diesem Sektor engagiert. "Keiner darf verloren gehen", das CJD-Motto, das ursprünglich vor allem für die Förderung behinderter Menschen galt, ist auch richtungweisend für die Beschäftigung mit den IQ-Kanonen. "Diese Kinder brauchen viel geistiges Futter", umschreibt die Psychologin Sabine Rohrmann vom CJD-Institut für Hochbegabtenförderung die besonderen Anforderungen. "Traditioneller Unterricht, in dem der Lehrer vorn steht und vorgegebenen Stoff lehrt, reicht nicht aus." Gleich drei Christophorus-Schulen in Braunschweig, Königswinter und in Rostock nehmen sich der jungen Genies an. Die Jugenddorfschulen, die auch allesamt Internatsplätze anbieten (Kosten: 1500 Euro monatlich), setzen verstärkt auf die separate Förderung der Hochbegabten in speziellen Klassen oder Kursen, meist erst ab der neunten Klasse, zum Teil aber auch schon wesentlich früher. Diese Trennung von "normalen" und hoch begabten Kindern und Jugendlichen ist durchaus zwiespältig, so Sabine Rohrmann. Vorteil der Begabtenklassen: "Ein schräger Vogel trifft einen anderen schrägen Vogel, dann fällt er nicht so auf und kann gut arbeiten." Häufig verläuft die intellektuelle Entwicklung dann wie in einem Treibhaus. Nachteil: "Wer einmal solche Sonderförderung erfahren hat, kann kaum mehr zurück."


Auf eine integrierte Förderung der kleinen Genies setzt die seit 1998 bestehende Freie Schule Rostock, wo 15 der 125 Grundschüler einen weit überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten mitbringen. Dort lernen die Kinder in altersgemischten Gruppen. "Hoch begabte Kinder haben die Chance, sich "nach oben" zu orientieren", erläutert die Leiterin des Grundschulbereichs, Dietlind Hentschel. Zudem würden die Kinder jeweils drei bis vier Wochen ein bestimmtes Thema - derzeit ist das Weltall dran - aus Sicht unterschiedlicher Fächer beleuchten. In den weiterführenden Klassen verfahren die Rostocker nach dem so genannten "Enrichment-Modell": Hochbegabte arbeiten zusammen mit den anderen Schülern, erhalten aber die Möglichkeit, beim Lernen in die Tiefe zu gehen. (Kosten: Grundschule 95 Euro, weiterführende Schule 110 Euro)


Noch in der Gründungsphase befindet sich das Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Neckargemünd, das im September 2004 den Schulbetrieb aufnehmen soll. Innerhalb von acht Jahren sollen ausschließlich hoch begabte Kinder dort ihre Oberschulzeit absolvieren. (Internatskosten: 1500 Euro, Tagesschüler: 600 Euro monatlich) "Wir wollen immer bis zu den Osterferien den normalen Lehrplan abarbeiten und in der verbleibenden Zeit bis zu den Sommerferien dann Projekte anbieten", beschreibt Gertrud Hilser, die Projektleiterin des geplanten Gymnasiums, das Schulprofil.


Die Konzentration ausschließlich auf hoch begabte Kinder ist Programm, "wir haben die Erfahrung gemacht, dass Separation den Kindern ein positives Selbstbild verschafft", meint Gertrud Hilser, die bisher an der benachbarten Stephen-Hawking-Schule für Körperbehinderte arbeitet. Der Kontakt mit Vereinen, mit Firmen und eben auch mit den gehandikapten Nachbarschülern soll dafür sorgen, dass die kleinen Überflieger nicht die Bodenhaftung verlieren.


Artikel erschienen am 23. Nov 2003

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